Die Lutherrose ist mehr als nur ein Schutzzeichen, das Luther seinen Werken zur Kennzeichnung seiner Urheberschaft beigab. Sie avancierte zu einem Markenzeichen der protestantischen Bewegung. In gleicher Weise wurde Luther als Person Objekt frühneuzeitlicher Vermarktung. Die vielfach verbreiteten Porträts der Cranach-Werkstatt machten ihn zu einer unverwechselbaren Ikone der Reformation.
Luther als Logo? – Luther erkennt man, egal, was man mit ihm verbindet. Sein Konterfei hat sich in das kulturelle Gedächtnis der europäischen Kulturgeschichte eingeschrieben. Die Lutherporträts aus der Wittenberger Werkstatt Lucas Cranachs d. Ä. und seines Sohns Lucas d. J. bestimmen bis heute das Bild, das wir von Luther haben. Noch zu Lebzeiten entstanden mehrere Porträttypen mit einem spezifischen ›Image‹: Luther der Mönch, der Theologe, Junker Jörg, der Ehemann und der Kirchenvater oder der »feiste Doktor«. Nach Luthers Tod 1546 verbreiteten sich diese Darstellungen auch in anderen Bildmedien, etwa auf Medaillen und Bucheinbänden sowie auf Alltagsgegenständen wie Trinkgefäßen und Ofenkacheln.
Eine vergleichbare Rolle spielte die sogenannte Lutherrose. Sie diente zunächst als Schutzmarke für Luthers Schriften, bevor sie zum Symbol lutherischer Kirchen und zum Gegenstand des Souvenirhandels wurde.
Serielle Produktion und Vermarktungs- und Popoularitätsmechanismen formen aus der Person Martin Luther eine omnipräsente Marke. Die Vermarktung von ‚Lutherprodukten‘ ist aber keine ausschließliche Erfindung des 20. Jahrhunderts. So wurden schon zur dritten Säkularfeier der Reformation 1817 Repliken von Luthers angeblichem Verlobungsring zum Verkauf angeboten. Die aktuelle Luther-Dekade und das Jubliäum 2017 zeigen vielmehr eine erneute Luther-Konjunktur, eine Praktik der Akutalisierung, die sich eng mit dem Bild von der Person und Persönlichkeit des Reformators verbindet.
Auf dem Titelblatt einer Predigt Luthers zur Leipziger Disputation (1519) findet sich das früheste bekannte Lutherporträt. Es zeigt Luther mit Mönchskutte und Doktorhut, die Hand im Redegestus erhoben. Wohl aus Eile übertrug der Formschneider die Umschrift des Medaillons seitengetreu von der Vorzeichnung, so dass sie im Abdruck seitenverkehrt erscheint. In der Wappenkartusche erkennt man eine Vorform der Lutherrose, die zum ‚Markenzeichen‘ des Reformators werden sollte.
Luthers zeitgenössischer Ruhm lässt sich auch an der kaum überschaubaren Zahl seiner Porträts ermessen ...
... Die meisten gehen auf Vorlagen aus der Wittenberger Cranach-Werkstatt zurück. Deren Porträttypen etablierten sich als ‚Bild-Marken‘ dauerhaft in der visuellen Kultur.
Die drei Varianten des frühen Bildnisses „Luther als Mönch“ gehen auf das erste Porträt zurück, das Lucas Cranach d. Ä. (1472–1553) veröffentlichte. Da auch unautorisierte Nachdrucke von Luthers berühmten Streitschrift Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche Kopien dieses Bildnisses erhielten, erfuhr es große Verbreitung.
Vor allem nach Luthers Tod 1546 nahm die Ausbreitung seiner Bildnisse stark zu. Neben Malerei und Druckgraphik waren im 16. Jahrhundert Bucheinbände ein beliebter Ort für Lutherporträts. Weite Verbreitung fanden blind geprägte und gepresste Einbände im sogenannten Wittenberger Stil. Die Bildnisse, die in das helle Schweinsleder geprägt wurden, orientierten sich meist an den ikonisch gewordenen Bildern aus der Cranach-Werkstatt.
Ein unbekannter Vorbesitzer des 16. Jahrhunderts ließ sich die Psalmenauslegungen des Johannes Bugenhagen (1485–1558) kostspielig einbinden. Neben Ornamenten wurden auch Medaillonporträts von Luther und Kurfürst Friedrich von Sachsen (1463–1525) in das Leder des vorderen und des hinteren Deckels geprägt. Durch die beiden kirchlichen und weltlichen Protagonisten der Frühreformation wurde Bugenhagens Werk demonstrativ der lutherischen Bewegung zugeschlagen.
Das dreifache Porträt Luthers als Mönch, als Junker Jörg und auf dem Totenbett wiederholt noch einmal drei der bekanntesten Typen von Lutherbildnissen. Obwohl künstlerisch wenig anspruchsvoll sind doch die Vorbilder aus der Cranach-Werkstatt erkennbar. Diese wurden über Jahrhunderte so häufig kopiert und nachgeahmt, dass sie die Vorstellungen vom Aussehen Luthers in verschiedenen Phasen seines Lebens bis heute bestimmen.
Sogenannte Mikrographien – kleine, aus Schrift gebildete Porträts – erfreuten sich im 17. und 18. Jahrhundert einiger Beliebtheit. Zumeist waren es Fürsten, die auf diese Weise dargestellt wurden. In diesem Fall hat ein unbekannter Schreibmeister aus den Versen von Psalm 21 ein Lutherbildnis geschaffen. Warum die Wahl ausgerechnet auf einen Psalm fiel, der die Legitimation des Königs durch Gott und die Vernichtung seiner Feinde behandelt, ist nicht abschließend geklärt.
In der Wolfenbütteler Bibliothek befinden sich zwei kleinformatige Bildnisse von Martin Luther und seiner Frau, der ehemaligen Nonne Katharina von Bora (1499–1552). Sie stammen aus der Wittenberger Werkstatt Lucas Cranach d. Ä. (1472–1553). Bildnisse dieser Art wurden in großer Zahl hergestellt und waren ursprünglich für den Privatgebrauch gedacht. Ihre ikonographische Gleichförmigkeit bedingte, dass sie das öffentliche Bild Luthers stark prägten. Spätere Lutherdarstellungen hatten sich den etablierten Bildvorstellungen anzupassen, um akzeptiert zu werden.
Zu einigen Lutherporträts aus der Cranach-Werkstatt haben sich Lochpausen erhalten. Als technische Hilfsmittel verweisen sie auf die rationalisierten Arbeitsabläufe in der Werkstatt und die Serienproduktion von Lutherporträts. Mit ihrer Hilfe wurden Bildnisse hergestellt, die aufgrund von reduzierter Formensprache, weiter Verbreitung und entsprechend hoher Wiedererkennbarkeit erheblich zur ‚Image‘-Bildung des Reformators beitrugen.
Das Porträt Luthers ist Teil einer Serie von vier Reformatorenbildnissen, die vermutlich auf Grundlage druckgraphischer Vorlagen im späten 16. bis 17. Jahrhundert entstanden. Die Serie, zu der neben Luther die Porträts von Jan Hus, Johannes Calvin und Philipp Melanchthon gehören, fertigte der unbekannte und mäßig begabte Kopist vermutlich für eine Gelehrtenstube oder als Schmuck für eine Bibliothek an. Das Lutherporträt verdeutlicht, dass markenhafte Wiedererkennbarkeit keine Frage künstlerischer Qualität ist.
Luthers Popularität führte dazu, dass seine Schriften von Raubdruckern kopiert wurden. Allein im Jahre 1523 wurden Teile seiner Bibelübersetzung 24 Mal außerhalb Wittenbergs nachgedruckt. Das brachte ihn dazu, im Januar 1524 seinen persönlichen Symbolus, die Lutherrose, als ‚gedrucktes Siegel‘ zu benutzen und seine Initialen M L über das Medaillon zu setzen. Dieses Siegel sollte bezeugen, dass Luther selbst den Druck autorisiert hatte.
Der Theologe Andreas Osiander (1498–1552) sah in Luther die Erfüllung einer Weissagung des Joachim von Fiore (um 1130–1202). Dieser hatte prophezeit, dass das dritte und letzte Zeitalter der Weltgeschichte mit dem Erscheinen des Antichristen beginne, der von einem Mönch besiegt werde. Osiander begründete seine Gleichsetzung Luthers mit diesem Mönch mit einer vermeintlichen Ähnlichkeit der Lutherrose und der Rose des Joachim von Fiore. Weil Letztere aber nicht nur in ihrer Form, sondern auch ihrer Bedeutung anders geartet war, wies Luther die schmeichelhafte Auslegung zurück.
Mit der Flugschrift machte der Nürnberger Meistersinger Hans Sachs (1494–1576) Martin Luther noch zu dessen Lebzeiten zur literarischen Figur. Trotz seiner allegorischen Form beförderte Sachs’ Spruchgedicht die Popularität Luthers und seiner Lehre. Die außergewöhnlich starke Rezeption des Textes trug erheblich zum frühprotestantischen Personenkult um Luther und zur Etablierung der ‚Marke Luther‘ als großem deutschen Reformator bei.
Die Sammlung Hardt – benannt nach dem Helmstedter Professor und Universitätsbibliothekar Hermann von der Hardt (1660–1746) – bildet eine der bedeutendsten Sammlungen von Reformationsschriften weltweit. Die 1186 Schriften aus dem 16. Jahrhundert stammen von Luther und seinen Anhängern. Die Sammlung geht nicht ursprünglich auf von der Hardt zurück. Zum Großteil handelt es sich wohl um Schriften, die der zum Pietismus neigende Herzog Rudolf August (1627–1704) gesammelt hatte und die er 1702 in die Obhut von der Hardts gab. Im 19. Jahrhundert wurden die einstigen Sammelbände zerlegt, um die Schriften nach ihren Verfassern zu ordnen.
Aufgrund ihres ikonischen Charakters wurden Lutherbildnisse von zahlreichen Standespersonen in Dienst genommen, um die eigene konfessionelle Zugehörigkeit und damit verbundene Ansprüche zu demonstrieren. Ebenso prominent wie programmatisch ist das Konterfei des Reformators in einer Darstellung der Bibelsammlung von Herzogin Elisabeth Sophie Marie von Braunschweig-Lüneburg (1683–1767) platziert. Nicht nur mit ihrer Bibliothek, sondern auch mit konfessionellen Streitschriften gab sich die verwitwete Fürstin als kämpferische Lutheranerin zu erkennen.
Angeblich vom sächsischen Kurfürsten erhielt Luther einen schlichten Ring, den er als Verlobungs- oder Trauring verwendete, und der im späten 16. einen aufwändigen Schmuck erhielt. Der Ring zeigt auf einer Seite die Marterwerkzeuge der Passion Christi, auf der anderen den Gekreuzigten. In der Mitte befindet sich ein Rubin. Nach dem Original, das heute im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig aufbewahrt wird, wurden bereits anlässlich des Jubeljahres 1817 Repliken hergestellt und zum Preis von einer Dukate verkauft. Aktuelle Nachbildungen werden in verschiedenen Museumsläden angeboten.
In den Zwanzigerjahren des 16. Jahrhunderts war Luther so berühmt, dass Buchdrucker begannen, seine Werke als ‚Markenprodukte‘ zu gestalten. In der Wittenberger Offizin von Christian Döring († 1533) und Lucas Cranach d. Ä. (1472–1553) entstanden Druckstöcke für Titelblätter, die Luthers Initialen und die Lutherrose zeigten. Es entstand eine frühe Form eines ‚Corporate Design‘ für eine Reihe, in das beliebige Einzeltitel eingefügt werden konnten.
Nachdem die Lutherrose 1524 am Ende einer Bibelübersetzung als ‚Schutzmarke‘ gegen Raubdrucke vorgestellt wurde, erhielten sie nachfolgende Wittenberger Drucke wie dieser direkt auf das Titelblatt gesetzt. Das hinderte Drucker in Leipzig, Augsburg, Nürnberg und Straßburg allerdings nicht, das auf diese Weise geschützte Buch über das Seelenheil von Kriegern noch im selben Jahr nachzudrucken. Sie verzichteten allerdings auf Markenpiraterie und kopierten die Lutherrose nicht.
Das aufwändige Blatt führt demonstrative zwei ‚Markenzeichen‘ zusammen, die als Identifikationsobjekte der Lutheraner dienten: Luthers Bildnis und die Lutherrose. Unterhalb des Bildes ist ein Brief Luthers an Lazarus Spengler (1479–1534) vom 8. Juli 1530 wiedergegeben, in dem Luther die tiefere Bedeutung seines Rosen-Symbolus erläutert. Die allegorische Interpretation besagt, dass ein Christ durch den Glauben an den Gekreuzigten sein Leben mit spiritueller Freude erfüllen solle, um auf diese Weise die Wonnen der ewigen Seligkeit vorzukosten.
Die wohl 1533 entstandene, dem Stempelschneider Hieronymus Dietrich (Magdeburger) zugeschriebene Medaille, ist das erste Gepräge, das die Lutherrose trägt. Sie trug ebenso zur Verbreitung dieses ‚Markenzeichens‘ bei, wie die druckgraphischen Reproduktionen, die später von ihr angefertigt wurden.
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