Die Lutherrose

Luthers Merkzeichen im Kontext der Reformationskunst und ‑theologie. Zur Entstehung des Lutherkults*

Klaus Conermann

Wegen der herausragenden Gestalt ihres Erfinders gilt die Lutherrose als eines der berühmtesten Sinnbilder einer modernen historischen Persönlichkeit (Abb. 1). In einem blauen Feld, eingekreist von einem goldenen Ring, zeigt das Medaillon eine weiße Rose mit fünf Blüten- und Kelchblättern, in der Mitte belegt durch ein rotes Herz mit einem schwarzen Kreuz (vgl. Abb. 2). Es spricht einiges dafür, dass die häufig einfarbige Darstellung der Rose auf vielen Titelblättern von Luthers zahlreichen Schriften dieses Zeichen verändert hat – von einer persönlichen Devise oder Imprese in ein öffentliches Echtheitszeugnis und darüber hinaus in ein Abzeichen der Reformation.

Abb. 1
Abb. 1 Sandsteinrelief der Lutherrose unter einem Baldachin am sog. Katharinenportal (1540) des Lutherhauses, Wittenberg. Inschrift: „V.I.V.I.T:“
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Mit Blick auf ihre politische Bedeutung erinnert Luthers Marke zudem an die Parteibadges der Rosenkriege. Trotz intensiver Lutherforschung ist der Rosensymbolus1 des Reformators allerdings bislang weder im Zusammenhang mit dem Aufkommen und der Struktur von Devisen und Emblemen2 noch als exemplarische Manifestation des Einflusses untersucht worden, den Luthers Theologie auf die Kunst ausübte.

Auch wenn sich die meisten Historiker bislang damit begnügten, die Lutherrose als ein aus Luthers Familienheraldik abgeleitetes persönliches Wahlwappen zu charakterisieren, bleibt diese Sichtweise doch bestenfalls eine ungeprüfte Behauptung.3

Abb. 2
Abb. 2 Imprese Martin Luther in einer Wittenberger Matrikel zur Zeit von Caspar Crucigers Rektorat 1533. Universitäts- und Landesbibliothek Halle: Yc 1, Bl. 113 v. Ausschnitt aus Abb. 148
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Badges und ähnliche Marken wurden oft in Wappen eingefügt, insbesondere in die Helmzier.4 In dieser Hinsicht hätte die Entwicklung von Luthers Symbolus die Geschichte der mittelalterlichen Kriegs- und Hofdevisen auf den Kopf gestellt. Es gibt keine Hinweise für diese Annahme, da Luther seine Briefe seit dem Sommer 1516 mit Rosensiegeln bestätigte (Abb. 3), wohingegen ein Familienwappen (Abb. 4)5 von seinen Verwandten wohl nicht vor dem Jahr 1530 benutzt wurde (Abb. 5).

Soweit wir wissen, haben weder der Reformator selbst noch seine Söhne Johannes (1526–1575) und Paul (1533–1593) jemals vom Armbrust-Wappen Gebrauch gemacht.6 Allein Luther machte sich einen Namen, und es war nicht irgendein wenig bekanntes heraldisches Abzeichen, sondern sein eigenes Siegel, das sich zu einem Kennzeichen der Reformation entwickelte. Anders als seine entfernteren und unbekannten Verwandten hatte Luther es nicht nötig, seine Familienzugehörigkeit mit einem Wappen zu betonen.

Abb. 3
Abb. 3 Luthers Siegelabdruck aus seinem Brief an Wenceslaus Link, 23.4.1530. HAB: Cod. Guelf., 252.2 Helmst., Bl. 2 v

Da die Rose des Reformators immer eng an ihren Träger gebunden blieb, konnten Luthers Verwandte – abgesehen von seinen direkten Nachkommen – nur zu einer ähnlichen heraldischen Auszeichnung Zuflucht nehmen.In Übereinstimmung mit dem persönlichen Charakter von Impresen beschränkte sich der Gebrauch der Lutherrose als Siegel in ihrer Verbreitung zunächst auf die Sphäre der persönlichen Kommunikation. Als Vorläufer für dieses Sinnbild kann vielleicht Luthers Doktorring gelten (vgl. Kat. Nr. 6).7 Mehrere Jahre lang widerstand Luther der Versuchung, seine private Impresezu verbreiten und sie so in ein öffentliches ,Merkzeichen‘ der lutherischen Theologie zu verwandeln (Abb. 6).8 Vor 1524 zierte ein anderes Reformationssymbol die Titelblätter eines eng mit dem Reformator verbundenen und von ihm beaufsichtigten Druckers: die Eherne Schlange des Melchior Lotter d. J. (um 1490–1542).9

Obgleich die Eherne Schlange als Druckersignet bezeichnet wurde,10 symbolisierte und authentifizierte sie zur Zeit ihres Auftauchens in Lutherdrucken (1520) wohl auch die theologische Botschaft des Reformators.11

Abb. 4
Abb. 4 Wappen König Sigismunds vermutlich für Fabian Luther. Aus dem Nachlass von Paul Luther. Universitätsbibliothek Leipzig: UBL. Rep. III, 20a
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Philipp Melanchthon (1497–1560) übernahm dieses Symbol als seine persönliche Devise. Bald entwickelte sie sich zu einem allgemeinen Kennzeichen der Reformationstheologie, das allein oder in Verbindung mit weiteren Sinnbildern auf Medaillen und vielen anderen Objekten abgebildet wurde, in den Werken der Cranach-Werkstatt ebenso wie auf Titelblättern. Die Beliebtheit dieses Symbols wuchs wahrscheinlich deshalb beträchtlich, weil es ausgehend von einer Bibelauslegung dem griechischen Buchstaben Tau eine neue Bedeutung gab, und Amulettträger und Ablassempfänger ihm Abwehrkräfte gegen die Pest nachsagten.12

Luthers eigene Schriften zu beglaubigen und sie vor Fälschungen und nicht autorisierten Nachdrucken zu sichern, wurde immer drängender: Allein im Jahre 1523 wurden Teile von Luthers deutscher Bibelübersetzung 24 Mal außerhalb Wittenbergs nachgedruckt.13 Dies brachte Luther dazu, im Januar 1524 seinen persönlichen Symbolus als ‚gedrucktes Siegel‘ zu benutzen und seine Initialen ML über das Medaillon zu setzen (Abb. 7).14

Abb. 5
Abb. 5 Wappen Jakob Luthers mit seinen Initialen und dem Jahr 1530. Stein unter Bergwerksschlegeln, über einem Fenster an Luthers Vaterhaus in Mansfeld (Rekonstruktion nach einem erhaltenen Fragment
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Doch Luther hielt es zu diesem Zeitpunkt wohl nicht für angebracht, die theologische Bedeutung seines Symbolus zu offenbaren. Er könnte aus diesem Grund Lucas Cranach d. Ä. (um 1472–1553) um einen Holzschnitt eines traditionelleren religiösen Symbols gebeten haben: das heilige Lamm, das die Bedeutung der Leidensgeschichte Christi repräsentiert, zentrales Thema von Luthers Theologie. In Übereinstimmung mit der überlieferten christlichen Ikonologie spendet das Lamm als Opfersymbol sein Herzblut in den Abendmahlskelch. Das Kreuz auf dem wimpelförmigen Kirchenbanner und sein kreuzförmiger Stab sind ebenso wie die Gloriole um den Kopf des Osterlamms Sinnbilder für die siegreiche Auferstehung Christi.15 Unter der Rose und dem agnus Dei (abgebildet auf einem Wappenschild) lautet der Text:

Dis zeichen sey zeuge/ das solche bucher durch meine hand gangen sind/ denn des falschen druckens vnd bucher verderbens/ vleyssigen sich ytzt viel Gedruckt zu Vuittemberg.16

Abb. 6
Abb. 6 Martin Luther: Ein Sermon geprediget tzu Leipßgk vffm Schloß am tag Petri vn[d] pauli im xviiij. Jar, Leipzig: Stöckel 1519, Titelblatt. HAB: M: Li 5530 Slg. Hardt (19, 203)

Sogar im Neuen Testament wird die Eherne Schlange als Präfiguration Christi ausgelegt. Auch der Heiland selbst musste auf einem Kreuz hochgehalten werden, damit alle Menschen sein Opfer erkennen, an ihn glauben und so die Erlösung im ewigen Leben erreichen.17 Diese typologische Exegese ist genauso traditionell wie die Allegorisierung des agnus Dei.18 Obwohl solchen Bildern neue übertragene Bedeutungen zugeschrieben oder sie als persönliche Impresenübernommen wurden, wie in den Beispielen von Luthers Tierkreis-Interpretation und von Melanchthons Eherner Schlange deutlich wird, sei darauf hingewiesen, dass Luther und einige Künstler und Drucker aus seinem Umkreis sie lediglich als alternative Symbole seiner Theologie und eben nicht als persönliches Sinnbild des Reformators benutzten. Als Figur im Wappenschild traute Luther es dem Lamm Gottes allein offenbar nicht zu, seine Erstausgabe der Bibelübersetzung (1524) ausreichend zu beglaubigen und zu schützen. Auch wenn ein Träger seine persönliche Imprese nicht notwendigerweise selbst erfunden haben musste, so identifizierte er sich – wie Luther – mit ihrer Bedeutung und Form.

Abb. 7
Abb. 7 Martin Luther (Übers.): Das Ander teyl des alten testaments, Wittenberg: Döring/Cranach 1524, Bl. CCXVI r. HAB: Bibel-S. 4° 205 (2)

Es kann angenommen werden, dass der Träger seine Imprese vor unbefugter Beeinflussung, Abänderung und Umdeutung schützte, und dass er sogar zögern konnte, ihre vollständige Bedeutung zu verbreiten. Einschlägiges Beispiel ist Luthers Reaktion auf eine Weissagung, die 1527 von seinem Anhänger Andreas Osiander (1498–1552) veröffentlicht wurde (Abb. 8).19

Auch wenn ihm die Idee des Nürnberger Theologen durchaus schmeichelte, dass ein Mönch (Luther) gekommen war, um die Prophezeiung des Joachim von Fiore (um 1130/35–1202) von einem göttlichen Dritten Zeitalter zu erfüllen, wies er die Deutung zurück, von der Osianders Identifizierung des Mönchs mit Luther abhing: die Gleichsetzung der joachimitischen Rose mit jener des Reformators. Tatsächlich sah die Lutherrose nicht nur anders aus, sondern hatte auch eine eigene Bedeutung – und der Reformator weigerte sich, diese im officium wiederzuerkennen, das Joachim dem Mönch aufgetragen hatte. Würde die Lutherrose mit Osianders eher freiem Verständnis der Rose als Allegorie der christlichen caritas verstanden, würde sie als theologischer Symbolus für die Passion Christi falsch interpretiert.

Abb. 8
Abb. 8 Andreas Osiander: Ein wunderliche weissagung von dem Bapstnmb [!], wie es yhm bis an das ende der welt gehen sol […], [Wittenberg]: [Weiß] 1527, o. P. [vor Bl. D r]. HAB: A: 169.9 Theol. (10)

Die Ähnlichkeit der Devise des Jean Gerson (1363–1429) mit der des Gersonisten Luther ist schwerlich zufällig und doch nicht groß genug, um die Struktur, die Bedeutung oder die Funktion der Lutherrose zu erklären (Abb. 9).20 In Gersons Abzeichen findet sich überhaupt keine Rose. Sicherlich könnte sein geflügeltes und mit dem griechischen Buchstaben Tau markiertes Herz Luthers Vorstellungen in Form wie Bedeutung angeregt haben, wurde dieses Herz doch so verstanden, als steige es zum Himmel auf und als werde es vom Licht Gottes auf die gleiche Weise gewärmt und beleuchtet wie der Mond von der Sonne beschienen wird.21

Im Verlauf der Reformation wurden immer mehr Marken, Symbole und Allegorien mit Luther assoziiert.22 Dennoch nahm der Reformator keines von diesen Sinnbildern auf die gleiche Weise an wie seinen Rosensymbolus. Seit 1524 erschien die Lutherrose als Erkennungsmarke auf den Titelblättern seiner Bücher (Abb. 10),23 manchmal auf einem Wappenschild abgebildet oder neben der Ehernen Schlange oder dem Lamm Gottes.

Abb. 9
Abb. 9 Johannes Gerson: Opera Gersonis, Tl. 1, [Nürnberg]: [Georg Stüchs] 1489, o. P. [verso Titelblatt]. HAB: A: 42 Theol. (2)

Die von Luther autorisierten Wittenberger Bibeldrucke kamen erst 1529 unter den Schutz eines kurfürstlichen Privilegs. Die 1533 und ab 1534 verwendeten Lutherrosen-Druckermarken bezeichnete Hans Volz als „Schutzmarken“. Obwohl er diesen Ausdruck nicht in seinem technischen Sinn als Äquivalent für „Warenzeichen“ benutzte, ist dieser inhärente Vergleich für die Untersuchung von Devisenfunktionen von einigem Interesse. Es ist darauf hinzuweisen, dass ein Warenzeichen juristisch den Schutz vor unerlaubter Reproduktion seiner selbst (und nicht des markierten Produkts) bezweckt. Dieses Ziel wurde durch die Titelblattrose im Großen und Ganzen erreicht, weil sie nur selten von Druckern in anderen Orten als Wittenberg imitiert wurde.24 Nachdrucke von Luthers Werken außerhalb der Stadt indes verhinderte die Rosenmarke nicht (wie es ein Privileg, Patent oder Copyright vermocht hätte). Hätten die meisten Zeitgenossen die Titelblattrose nicht als Erkennungsmarke des Textes selbst erkannt, dann wäre nicht einmal die kleinere Aufgabe von Luthers Devise erfüllt worden. Luthers einzigartige Bekräftigung am Ende des zweiten Teils der Alten Testament-Ausgabe von 1524 (Abb. 7) zeigt, dass er vor allem hoffte, den Text vor unautorisierten Veränderungen zu schützen. Da die meisten Zeitgenossen die Rose als Erkennungsmarke akzeptierten, spielte dieses Symbol für die Drucker von Wittenberg wahrscheinlich eine ähnliche Rolle wie ein Warenzeichen – oder vielmehr wie die Funktion eines Gütesiegels von Handwerker- oder Händlerverbänden. In Ermangelung von Registrierung und rechtlicher Bedeutung der Lutherrose waren die Drucker jedoch nicht gezwungen, jedes ‚Lutherprodukt‘ mit diesem Zeichen zu versehen; auch war der Beitrag der Rose zur ‚Marke‘ der Wittenberger Reformationsliteratur keineswegs dergestalt, dass sie als Unterscheidungsmerkmal einer bestimmten ‚Aufmachung‘ bei Einführung einer neuen Titelseite nicht hätte weggelassen werden können.

Abb. 10
Abb. 10 Martin Luther: Der Psalter deutsch, Wittenberg [Nürnberg]: [Petrejus] 1524, Titelblatt. HAB: Bibel-S. 545

Seit das ursprünglich ‚gedruckte Siegel‘ 1524 durch eine Titelblattmarke ersetzt worden war, mussten viele Zeitgenossen Luthers persönliche Verbundenheit zu diesem Schutzzeichen als schwächer wahrgenommen haben. Da sich Drucker außerhalb Wittenbergs die Rose selten zu eigen machten, verlor sie nach und nach einiges von ihrer wirtschaftlichen Attraktivität und entwickelte sich zum Teil aufgrund ihrer Verwendung auf Titelseiten anderer Reformatoren zu einer allgemeinen Marke für die in der sächsischen Stadt veröffentlichte Reformationsliteratur. Für kurze Zeit hatte dieses Badge und Warenzeichen Anhänger wie Käufer angezogen. Trotzdem ließ mit der Konsolidierung des Protestantismus in Folge des Augsburger Bekenntnisses (1530) der Bedarf von Feldzeichen und Schlachtrufen für eine Weile nach.25 Die Kombination von bis zu fünf mit Initialen gekennzeichneten Devisen von Reformatoren auf mancher Titelseite (z. B. Abb. 11 u. 12)26 lässt sich zum Teil als eine späte Reaktion auf die zunehmende Entpersonalisierung und Verallgemeinerung von Luthers und Melanchthons Symboli erklären. Dies trifft allerdings nicht auf die Häufung als solche zu, die eine enge Parallele mit zwei Eintragungen von Humanisten in die Erfurter und Wittenberger Universitätsmatrikel aufweist. Als Zeugnisse des humanistischen Freundschaftskults hängen sie mit der Entwicklung der Gattung des Album Amicorum zusammen,27 in der der Wittenberger Reformatorenkreis eine Schlüsselrolle spielte. Für die Druckerverleger dieser Epoche fielen solche Bekundungen von spiritueller Freundschaft oder religiöser Verbundenheit mit ihrem zeitgemäßen Interesse an allgemeinen Warenzeichen der Reformation zusammen.

Als Bildprogramm einer dogmatischen und kirchlichen Einheit konnte eine Verbindung von mehreren Marken die vorherrschende Rolle stärken, die Wittenbergs Drucker auf dem Markt der protestantischen Veröffentlichungen spielten.28 Ein solches Programm wurde von den Käufern und Lesern von religiösen Büchern geschätzt, auch wenn sie die Bedeutung mancher Impresen nicht verstanden. Um ihre rechtlichen und wirtschaftlichen Ziele zu erreichen, müssen Warenzeichen und Gütesiegel vom Käufer lediglich als Unterscheidungsmerkmal erkannt und mit einer Gütelinie der Produkte verbunden werden.

Abb. 11
Abb. 11 Wittenberger Matrikel zur Zeit von Caspar Crucigers Rektorat 1533: Impresen Martin Luthers (M L), Philipp Melanchthons (P M), Justus Jonas’ (Jonas/ Wal; I I ), Johannes Bugenhagens (Harfe; I B) und Caspar Crucigers (Guter Hirte über Noahs Arche mit Taube; C C). Universitäts- und Landesbibliothek Halle: Yc 1, Bl. 113 v
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Abb. 12
Abb. 12 Kirchenordnunge zum anfang/ fur die Pfarherrn in Hertzog Heinrichs zu Sachsen v. g. h. Fürstenthum, Wittenberg: Lufft 1539, Titelblatt. HAB: H: S 383.4° Helmst. (1)

Mit einem Nutzen aus dem Verständnis des Bildprogramms – sollte es sich überhaupt aus einem unerklärten Symbol herleiten lassen – wird nicht gerechnet. Mit anderen Worten: Die Veröffentlichung seiner Devise konnte Luther erst einmal nicht dazu bewegen, die Bedeutung preiszugeben, die er persönlich der Rose zuschrieb. Soweit dies aus unseren Quellen abgelesen werden kann, ergab sich die Gelegenheit zur Erklärung der Devise erst, als der sächsische Kurprinz Johann Friedrich I. (1503–1554) Luther einen Siegelring schenkte, der die Imprese des Reformators zeigte.29 Aus der Sicht eines Historikers ist bedeutsam, dass Johann Friedrich den Ring Luther auf der Veste Coburg am 14. September 1530 übergab, kurz nach der Erklärung des Augsburger Bekenntnisses also, das, wie oben erwähnt, das öffentliche Interesse an dieser persönlichen Devise schwächte. Indem endlich eine dogmatische Grundlage des Protestantismus geschaffen worden war, schützte das Bekenntnis letztlich die persönliche Bedeutung der Devise und bewahrte sie davor, vollständig zu einem Kennzeichen der Reformation zu werden.

Am 8. Juli 1530 beantwortete Luther einen Brief des Nürnberger Stadtbeamten Lazarus Spengler (1479–1534), in dem er die Rosendevise als ein merkzaichen und ein compendium seiner Theologie deutete:

Gracia & pax a Domino.

Alls ir begert zu wissen ob mein Wappen oder petschafft Im gemelde, das ir mir zugeschickt hapt, recht getroffen sey, will ich euch mein erste gedannken, vnnd vrsachen sollichs meins petschaffts zw guter gesellschafft anzaigen, die ich darauf fassen wolt, als inn ain merkzaichen meiner Theologia. Das erst soll ain schwartz Crewtz sein Im hertzen, wellichs Hertz sein naturliche farb hat, damit ich mir selbs erinnerung gib, das der glaub an den gecreutzigten vnns selig macht, Dann so man hertzenlich glaubt wurdt man gerecht. Ob es nun wol ain schwarcz Creutz ist, mortificirt, vnd soll auch wee thun noch lasst es das hertz inn seiner farb, verterbt die Natur nit, das ist es todt nit, sonnder es behellt lebenndig. Justus enim ex fide viuet sed fide Crucifixi. Sollich hertz aber soll mitten Inn ainer weisen Rosen steen, anzuzaigen, das der glaub frewd trost vnd fride gibt, vnnd kurtzlich inn ain weise froliche Rosen setzt, Nicht wie die Weldt fride vnnd frewd gibt, darumb soll die Roß weis vnnd nit rot sein, dann weis ist der gaister vnnd aller Enngel farbe, Solche Rose steet Imm himmelfarben fellde, das solche frewde Imm gaist vnnd glauben ain anfanng ist der himelischenn frewd zukunnfftig. ytzo wol schon darinnen begriffen vnnd durch hoffnung gefasset, aber noch nit offennbar. Vnnd vmb sollich feldt ain gulden Rinng das solliche Selikait Im hymel ewig weret vnnd kain Ennde hat, Auch cosstlich vnd vber alle frewde vnnd gueter, wie das goldt das hochst, edelst vnnd besst Ertzt ist.

Dieses mein Compendium Theologie, hab ich euch Inn guter freunntschafft wolln anzaigen, wollet mirs zugut hallten. Christus vnnser lieber herre sey mit eurem gaist, bis Inn ihenes leben Amen

Ex Eremo Grubok VIII July. XXX

  Martinus Lutherus suo Spenglero.30

In Entsprechung zum lateinischen Begriff compendium können wir die Bedeutung dieses Merkzeichens bzw. Symbolus’ zusammenfassend als Luthers allegorische Ermahnung bestimmen, wonach ein Christ durch den Glauben an den Gekreuzigten sein Leben mit spiritueller Freude erfüllen sollte, um auf diese Weise die Wonnen der ewigen Seligkeit vorzukosten. Später notierte ein Schüler Luthers: Wenn Kreis, Rose, Herz und Kreuz Wort für Wort interpretiert werden, ergibt dies zusammen die vollendete Freude des Herzens im Kreuz, das heißt die Herzensfreude, die ihre Hoffnung oder ihren Glauben in die Leidensgeschichte Christi setzt.31 Die hermeneutische Technik, die Luther in seinem Brief anwandte, ist von der mittelalterlichen Praxis der allegorischen Interpretation beeinflusst. Wenn wir die logische und ikonische Struktur des merkzaichens erklären, indem wir zwischen dem Signifikanten, seiner Farbeigenschaft,32 und dem Signifikat unterscheiden, verstärken oder kennzeichnen die Qualitäten schwarz und rot die Bedeutung des Kreuzes (Tod Christi) und des Herzens (lebendiger Glaube). Ferner erhöhen sie vermöge ihrer Gegensätzlichkeit (schwarz/rot, Leben/Tod) gleichzeitig den Bildkontrast (ein schwarzes Kreuz auf einem roten oder naturfarbenen Herzen) und begründen eine paradoxale Beziehung zwischen den beiden dogmatischen Deutungen des schwarzen Kreuzes (Erlösung durch den Kreuzestod Christi) und des roten Herzens (Rechtfertigung durch den lebendigen Glauben). Daher kommt Luthers Exegese zu einem syllogistischen Schluss: Wenn das schwarze Kreuz Erlösung durch den Kreuzestod Christi bedeutet und das rote Herz Rechtfertigung mittels lebendigem Glauben, können wir daraus schließen, dass der Glaube an den Gekreuzigten einen gerechten Menschen am Leben erhält und ihn rettet: „Justus enim ex fide viuet sed fide Crucifixi.“ Mit der Festlegung des Grundsatzes seiner Theologie in diesem Brief versucht der Reformator die anagogischen Implikationen eines christlichen Lebens aus seinem, aus dem innersten Herzen kommenden Glauben an den Gekreuzigten zu entfalten. Auch hier sind die Signifikanten (Rose, Himmel, Ring) wieder nicht nur durch Farben (Weiß, Blau, Gold) bestimmt, was die Signifikate durch ihre eigene assoziative Macht stärkt oder kennzeichnet – Weiß als Farbe der Freude, Blau als Bild des Himmlischen und Gold als Verweis auf erhabene Würde –, sondern auch durch sich selbst: Die weiße Farbe der Rose erinnert an das Geistige und an Engel,33 die selbst zugleich die blaue Sphäre des Himmels aufrufen, der sich wiederum mit dem goldenen Ring der Ewigkeit assoziieren lässt. Wie in der mittelalterlichen Allegorese34 können die Farben von Luthers Symbolusnicht erschöpfend als Eigenschaften erklärt werden, die die Signifikanten mit den Signifikaten teilen. Schon eher lassen sie sich als Qualitäten charakterisieren, die sich wie Signifikanten verhalten können und auf diese Weise allegorisches Verstehen anregen. Gleichwohl scheinen in Luthers Devise Weiß und Blau eigene Vergleiche hervorzurufen, insofern sie als korrelierende Teile der Gesamtkomposition dienen. Während in der Rose die Lage des Herzens des christlichen Glaubens Freude, Trost und Frieden im Leben bezeichnet, erklärt die Farbe der Rose die spirituelle Natur dieser Freude. Luther setzte die weiße Rose in ein blaues Feld und charakterisierte so (nach Luthers Brief) „frewde Imm gaist vnnd glauben“ als eine transitorische Vorwegnahme der ewigen Seligkeit. Die Farbe Blau kann als ein Hinweis auf Hoffnung gesehen werden, während die Rahmung durch das runde Feld des goldenen Rings wahrscheinlich im wörtlichen und übertragenen Sinn als „begriffen“ interpretiert wird, als ‚berührt, gegriffen‘ sowie als ‚empfangen, verstanden‘, das heißt eingeschlossen und konzeptuell impliziert. Indem er ein Objekt in das nächste setzte und sie mit Farbeigenschaften eng miteinander verband, gestaltete Luther gleichsam more geometrico ein so systematisches wie abstraktes, dabei überaus emotionales und persönliches „merkzaichen seiner Theologie“.

Luthers Begriff „merkzaichen“ bzw. Symbolus verdient besondere Aufmerksamkeit. Sogar als Devisen und Embleme schon zu einer gängigen Gattung geworden waren, konnten sich die Schriftsteller des Frühneuhochdeutschen nicht auf einen gemeinsamen Begriff einigen, einerlei ob einheimischer oder fremder Herkunft. Eine Passage in Fischarts Geschichtklitterung35 beschreibt Gargantuas Medaillensinnbild („Medeibild“: „image“) als „Hutzeychen“, „Federhalter“ und „Schaupfennig unnd Göttelgelt“ (Taufgeschenk). Das folgende Kapitel handelt von den Farben seiner Livree („Hoffarben“: „couleurs et livrée“), deren Blasonierung im Stil der Bücher von Sicile oder Carroset („Bläsonirung der Farben oder von Wapenvisirung und Farbenlosung“: „le Blason des couleurs“) es recht breit kritisiert. Nach Art eines Rebus oder sprechenden Wappens interpretiert ein solcher „bläsonirer“ die Bedeutung von „gemärck, zeychen, Divises, Wapenreimen, Hofkleider, Wapenlosung, Reimenloß“ („devises“), „Hofärmelreimen“, „Wapengemerck“, „Wapen Röck“ sowie „Ritterreimen unnd Thurnirsprüchen“ („divises“) weitgehend willkürlich, indem er die Worte mit naheliegenden Homonymen und ihren Bildäquivalenten gleichsetzt. Als Gelehrte und Akademien versuchten, die Erfindung und Regulierung der höfischen Gattung der Devisen zu monopolisieren,36 folgten auch Rabelais und Fischart diesem Trend, indem sie einerseits höfische Livreen und Devisen verspotteten und andererseits die Weisen aus Ägypten lobten, weil sie ihre „gemälschrifften und Schilderbilder, welche sie Hieroglypisch nanten“ („lettres, qu’ilz appelloient hieroglyphiques“) auf der Natur und der Beschaffenheit der abgebildeten Objekte begründeten. Nach Fischart37 zählten unter „die Hieroglyphischen Heyligschrifftenerklärer“ der „Bilderschrifften“ gemäß dem Ägyptischen Vorbild namentlich Horapollo („Orus Apollo“: „Orus Apollon“), Francesco Colonna („der VollibPolyphil im Libtraum“: „Polyphile au Songe d’Amours“), Giovanni Pierio Valeriano Bolzani („Pieri Boltzan“), Celio Calcagnini und Alessandro Cittolini („Cälius Cittolinus“), Johann Herold, Joannes Goropius Becanus und Marcello Squarcialupi („Schwartzialupi“). Auch handelten viele „Emplemateschreiber“ im Auftrag dieser weisen Ägypter, unter ihnen Johannes Sambucus („Sam Buch Stamm Buch Holderstock“), Hadrianus Junius („Aldus Hadrianus Brachmonat“),38 Nikolaus Reusner, Matthias Holtzwart, Johann Fischart selbst, Claude Paradin und Paolo Giovio. Offenbar sollten Devisen und Livreen nicht nur dazu benutzt werden, ihre Träger zu schmücken oder sie heraldisch zu identifizieren.39 Willkürliche Deutungen wie im Falle von Gargantuas Livree oder zufällige Ähnlichkeiten zwischen Namen, Appellativen oder Objekten konnten Rabelais’ und Fischarts Erwartungen an Witz und Wissen nicht zufriedenstellen. In seinem Vorwort zu Holtzwarts Emblematum Tyrocinia benutzte Fischart „Emblema“ nicht in unserem engen terminologischen Wortsinn, da er humanistische Standards aufstellen wollte, die eine wesentlich größere Gruppe von Bildern der Gelehrtenkritik unterwarfen. Während die Liste der Emblem-Schriftsteller in der Geschichtklitterung im Übrigen lediglich einen einzigen Impresen-Theoretiker (Giovio) enthielt, fasste die technischere und detailliertere Diskussion des Problems im Holtzwart-Vorwort Impresen, Embleme und Renaissance-Hieroglyphen unter die breite Kategorie der „Emblemata“ als einem zusammenfassenden Begriff für die „Sinnreichen Erfindungen/ Poetischen Dichtungen/ Gemälmysterien vnd verdeckten Lehrgemälen“.40 Fischart nahm an, dass solche „Gedenckzeychen“ oder „besonder Gemärck“ mit Wappen übereinstimmten oder diese sogar erst hervorgebracht haben.41 Beim Übersetzen der Überschriften von Rabelais’ Kapitel 8 verkürzte Fischart „couleurs et livrée“ zu „Hoffarben“, während er „Gemerckreimen“ hinzufügte, wahrscheinlich als Äquivalent zu „Emplemate“ im weiteren, historischen Wortsinn.42 Luthers Bezeichnung „merckzaichen“, das im Brief an Spengler „Wappen“ und „petschafft“ nicht zu widersprechen scheint, betont auch die memorative Funktion seines Symbolus – ein Begriff, der eine Grundlage dafür bietet, die Marke mit Siegeln und Wappen zu vergleichen und sie dabei außerdem von der ingeniösen Konstruktion einer humanistischen Devise abzugrenzen.

Fischarts Beispiel zeigt, dass das Fehlen einer etablierten Terminologie in Luthers Brief nicht primär dem Umstand geschuldet ist, dass sich in der Zeit, als der Reformator seinen Symboluserfand, noch keine gelehrte Impresistik ausgebildet hatte. Auch scheint Luther mit der Entwicklung eines derart ausgearbeiteten Programms ausgehend von Quellen mittelalterlicher Erbauung einen „der Gelehrten sympolis“ geschaffen zu haben,43 dessen intellektuelle Komplexität die der meisten Hof-‚Embleme‘ übertraf. Mit Blick auf den Gebrauch der Lutherrose auf den Titelblättern vieler Reformationsdrucke ist außerdem von Interesse, dass Fischart vorschlug, einen Band von gelehrten Symbolen und von Druckermarken zusammenzustellen, weil diese Zeichen den „Emblematis“ am nächsten kämen und sie gelegentlich sogar an Einfallsreichtum übertrafen. Fischart zufolge versuchten die Erfinder von Renaissancedevisen, „nach Exempel der alten Römischen Keyser besondere vergriffene Kunstgemärck vnd Fundzeychen/ sampt darzu dienlichen kurtzen Sprüchen/ Reimen/ Divisen vnd buchstaben/ so die Deitung begreiffen vnd einhalten/ zuerfinden: vnd dieselbige jnen selbs/ oder andern zugleich neben jnen zu fruchtbarlicher Erinnerung offentlich fürzumalen“.44 Obwohl lediglich die runde Form von Luthers Symbolus an römische Münzen und Medaillen erinnert, verdient diese Aussage in einem allgemeineren Sinne unsere Aufmerksamkeit. Bei der Beschreibung der Bildsprache der Renaissance müssen wir zwischen Gattungen und Formen wie Emblemen, Impresen, Livreen, Wappen, Druckermarken und anderem unterscheiden, auch wenn solche Klassifikationen oftmals mit den historischen Systemen kollidieren, die für die Rekonstruktion der historischen Absicht in ihrem spezifischen Kontext notwendig sind. Um sicherzugehen, sollten wir die Lutherrose, das compendium der Theologie Luthers, als eine persönliche Imprese bezeichnen, das heißt als Erinnerungsmarke für ein Versprechen oder eine Einsicht, die die Absicht des Trägers aufzeigt, sein Verhalten und Handeln darauf auszurichten. Allerdings müssen wir verstehen, dass die Rose und andere Sinnbilder deswegen derart viele zusätzliche Funktionen annehmen konnten, weil die Emblematiker und Impresisti des 16. Jahrhunderts den Gebrauch ihrer Erfindungen verbreiten und deren Dignität als eine antike Form begründen wollten, bevor sie mit dem Ausdruck der eigenen Absicht beginnen konnten. Bei Luther und seinen Zeitgenossen zeigt sich an vielen Orten, dass eine Imprese nicht notwendigerweise ihre persönliche Bedeutung verliert, wenn sie – etwa als heraldische Helmzier, ‚persönliches Wappen‘, Signet, Beglaubigung, Medaillenrückseite, Flagge, Handelsmarke, Gütesiegel, Druckermarke oder Badge –, verschiedene kommunikative Funktionen erfüllt.

Nicht nur im Brief an Spengler benutzte der Reformator Symbole oder Metaphern, die sich für eine Devise eigneten. Ein weiteres Beispiel ist ein Brief Luthers an seinen Ordensbruder bei den Augustinern, Georg Leiffer, den er ebenfalls 1516 schrieb und in dem er erstmals ein Rosensiegel benutzte. Er ermahnt Leiffer, das Kreuz Christi anzunehmen, das über die ganze Welt verteilt sei:

Crux Christi divisa est per totum mundum.

Leiffer solle es nicht wie eine Reliquie in einer goldenen oder silbernen Monstranz behandeln, sondern es vielmehr in einem goldenen, von sanfter Liebe durchtränkten Herzen empfangen („in aureum, id est, mansueta charitate imbutum cor“). Luther behauptete, das von höchster Liebe erfüllte Herz Christi und der göttliche Wille segneten Leiffers Drangsal, so wie das Fleisch und Blut Christi das Holz des Kreuzes geweiht hatten.45 Leiffers Leiden führe sonach zur Ehre, und sein Kreuz verwandele sich in Freude. Sicherlich sprach Luther von Reliquien und nicht von Impresen, doch die Metaphern für Leiffers Konversion verurteilen formalisierte Frömmigkeit und den Reliquienkult, indem sie darauf zielten, den Gottesdienst zu verinnerlichen und ein neues Bild der metanoia (Buße) schufen, das sich leicht auf ein Signet setzen ließ, welches dem Luthers von 1516 ähnelte. In einer vergleichbaren Glosse zu einem Vers aus den Paulusbriefen an die Römer (1515–1516) setzte Luther das Wort Gottes, das den Gläubigen rettet, metaphorisch mit einem Edelstein gleich, welcher seinen Träger vor Verletzungen beschützt.46 Auch wenn Ausdrucksformen mittelalterlicher Frömmigkeit wie religiöse Versprechen und Votivtafeln historisch mit höfischen Impresen (oftmals lediglich formale Ermahnungen oder Anzeigen einer Verpflichtung) und mit den Manifestationen eines Lutherkults in Verbindung stehen,47 stellt Luthers Zurückweisung äußerlicher Werke, die nicht von einem gläubigen und von Liebe erfüllten Herzen kommen, wohl den eigentlichen theologischen Bezugspunkt für das Verständnis seiner Imprese dar. Natürlich muss der Gebrauch von Sinnbildern samt ihrer sozialen und religiösen Implikationen in einem größeren Maßstab untersucht werden, als dies hier möglich ist. Diesbezüglich stellt Luthers Symbolus in seiner Betonung der christlichen ‚Renaissance‘ durch Christus in der Tat ein überaus typisches und reines Beispiel eines humanistischen Sinnbilds dar und einen wahrlich programmatischen und ausdrucksstarken persönlichen Entwurf der christlichen reformatio.

Die Kritik an Allegorese und Spiritualismus versorgte Luther mit guten Gründen für die eingehende Untersuchung von homonymischen Gleichsetzungen, die den Sinn des biblischen Textes entstellten. Bei seiner Verteidigung der Realpräsenz Christi im Brot der Eucharistie („Das ist mein leib“) gegen die „schwermer“ griff er auf folgendes Beispiel zurück:

Als blume/ ist ein ander wort/ wenn es Christum heist/ vnd ein anders/ wenn es die natürliche rosen vnd der gleichen heist/ Jtem ein anders/ wenn es eine gülden/ sylbern odder hültzern rosen heist. […] vnd heist tropus odder Metaphora ynn der grammatica/ wenn man zweyerley dingen/ einerley namen gibt/ vmb des willen/ das ein gleichnis ynn beiden ist/ Vnd ist denn der selbige name nach dem buchstaben wol einerley wort/ aber potestate ac significatione plura.48

In Übereinstimmung mit der augustinischen Formel, „quod figura et allegoria nihil probet, sed historia, verba et grammatica“,49 ließ Luther die übertragene Rede als Grundlage für die Exegese nur dann zu, wenn sie in der Bibel vorkam. Dann würde das Verständnis eines „tropus“ oder einer „metaphora“ das biblische Wort nicht vom Dogma trennen. Da Allegorien meistens „verba suavia sine re“ seien,50 müsse der Glaube an die Realität der Eucharistie im biblischen Text verwurzelt sein. In seiner Argumentation gegen Karlstadts Ikonoklasmus und spiritualistische Auslegung des Sakraments der Eucharistie hielt Luther daran fest, dass er ohne das äußere Wort und Zeichen niemandem den Besitz von Geist und Glauben zusprechen könne.51

Es ist nicht nötig, Luthers Deutung der sakramentalen Zeichen und ihre Folgen für die Rolle der Künste eingehender zu erläutern. Anders als Huldrych Zwingli (1484–1531) und Johannes Calvin (1509–1564), die Kunstwerke aus ihren Kirchen verbannten und außerhalb der christlichen Sphäre wenig Interesse für sie aufbrachten, waren Musik, Rhetorik und bildende Kunst für Luther erlaubt, weil er sie für Adiaphora, das heißt gewissermaßen für neutral hielt und als ggf. nützlich für die vielen Erfordernisse der Kirche erachtete. Protestantische Künstler – Calvinisten, Zwinglianer, Spiritualisten und Lutheraner – trieb allerdings alle gleichermaßen das Bedürfnis an, ihre Berufung in der Welt zu erfüllen. Das heißt, dass sie sich nicht mehr auf eine begrenzte Anzahl von guten oder sakralen Arbeiten beschränken wollten. Die Ablösung der protestantischen Kunst von der erbaulichen oder magischen Bedeutung der mittelalterlichen Kunst stellte den protestantischen Künstlern die gesamte Körper- und Bilderwelt zur Verfügung.52 Luther zufolge eigneten sich fast alle, auch biblische Themen, für die künstlerische Behandlung im Einklang mit dem Wort Gottes. Am Rosensymbol des Reformators lässt sich, sogar ohne Motto, diese Beziehung zwischen Wort und Bild hervorragend beispielhaft erläutern.

Es ist angezeigt, ein paar Beispiele spätmittelalterlicher Kunst zu nennen, die sich für den eingehenderen Vergleich mit Luthers Symbolusgut eignen.53 Als Augustinermönch war Luther sicherlich mit dem traditionellen Attribut des heiligen Augustin vertraut: Im Betsaal im Obergeschoss der Bibliothek zeigt ein Schlussstein unterhalb der Initiale A einen silbernen (weißen) Wappenschild, belegt mit einem quer von einem Pfeil durchbohrten roten Herz.54 Auf der Rückseite des Titelblatts von Augustins Sermones de tempore (1494) wiederum liegt das Herz des Heiligen auf seinem Buch De trinitate (Abb. 13).55

Abb. 13
Abb. 13 Augustinus: Sermones de tempore, Basel: Johannes Amerbach 1495, o. P. [verso Titelblatt]. HAB: H: D 367.2° Helmst. (1)

Es ist auf einem Wappenschild abgebildet und wird andreaskreuzartig von den Pfeilen der Liebe zu Gott („Charitas dei“) und der Nächstenliebe („Amor proximi“) durchstochen. Als Hinweis auf den Heiligen hält ein Reichsadler mit Heiligenschein, Mitra und Bischofsstab den Schild. Eine Inschrift auf dem Rand des Wappenschilds lautet: „Vulneravit charitas χρι [griech. christi] cor Augustini: et gestabat v(er) ba eius in viscerib (us) quasi sagittas acritas.“ Obwohl beide Pfeile Gaben symbolisieren, die allein von Gottes Gnade dem Herzen Augustins verliehen wurden, eignen sich die theologischen Implikationen dieses Symbols noch nicht für eine ikonologische Interpretation, die diesen Holzschnitt von vergleichbaren Abbildungen der arma Christi abrückt. Genauso wenig erlauben sie es uns, Augustins Gottesgnadenlehre mit Luthers Ansichten zu diesem Thema gleichzusetzen.56

Berücksichtigt man die einzelnen Bestandteile von Luthers Symbolus, erinnern sie an ein Meditationsbild mit Symbolen und Instrumenten des Leidens Jesu. Sogar die in der Allegorese wichtige Zahl Fünf, die auf die Passion Christi verweist (fünf Wunden), könnte so verstanden werden, als ordne sie den fünf Teilen von Luthers Symbolus (Kreuz, Herz, Rose, Himmel und Ring) eine numerologische Bedeutung zu. Luthers Sinnbild unterscheidet sich darin von einem Meditationsbild, dass in arma Christi-Darstellungen das Kreuz, das verwundete Herz und andere Objekte der Passion Christi (einschließlich eines möglichen Rosenkranzes mit Rosenperlen und Stigmata) auf die emotionalen Bedürfnisse von mittelalterlichen Gläubigen ausgerichtet waren, die den Empfehlungen des heiligen Bernhard folgten und die Erlösung in der Meditation über Christi Wunden suchten.57 Augustins theologisches Programm und dessen Darstellung lassen tatsächlich konstitutive Elemente von Luthers Merkzeichen erkennen. Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass der Holzschnitt den Heiligen und seine religiöse Botschaft nach wie vor in eine mittelalterliche Bild- und Frömmigkeitstradition stellt, indem das heraldische Zeichen in einen Symbolus der beispielhaften Hingabe gewendet wird, die Augustins Herz dem Herzen Christi assimiliert. Die beiden unter dem Wappenschild des Holzschnittes knienden Augustinermönche scheinen die Erwartungen an ein Andachtsbild zu erfüllen. Sicherlich hatten die anstrengenden Andachtsübungen der einfachen (nicht-mystischen) Frömmigkeit, die im Mittelpunkt der Kontemplation der Passion Christi standen, auch Luthers Leidenschaft entfacht und ihn mit den Symbolen, Erinnerungsversen und anderen mnemotechnischen Instrumenten vertraut gemacht, die in der meditativen Praxis benutzt wurden. Das erfolgreichste Mittel, nämlich die Rosenkranz genannte Gebetsperlenkette,58 konnte Luthers Hoffnung auf „Erneuerung der Theologie aus dem Geiste der Frömmigkeit“ freilich nicht befriedigen.59 Da Rosenkränze tief im Geist der religiösen Übung sowie der materiellen oder gar ökonomischen Leistung verwurzelt waren, die Luther als Scheinheiligkeit der ‚guten Taten‘ denunzierte,60 konnten sie die theologische Wahrheit nicht angemessenen widerspiegeln, die der Reformator im Römerbrief und in Augustins Konzept der göttlichen Gnade gefunden hatte. Im Sermon von der Betrachtung des heiligen Leidens Christi (1519) wies Luther folglich die heilsvermittelnde Rolle der kontemplativen Übung zurück. Stattdessen deutet er die innere Erneuerung des Menschen als Folge der göttlichen Gnade um, für die der Mensch nur beten kann:

Dru(m) b soltu gott bitten/ das er deyn hertz erweiche/ vnd laße dich fruchtparlich Christus leydenn bedencken/ dann es auch nit muglich ist/ das Christus leyden von vnß selber müg bedacht werden grundlich/ gott senck es dan yn vnßer hertz.61

Die theologische Stoßrichtung von Luthers Impresenprogramm richtete sich auch gegen dogmatische Lehrsätze und Andachtspraktiken, die die biblische Offenbarung verdunkelten, dass der Mensch durch seinen Glauben an die erlösende Macht des Leidens Christi gerettet wird. Jedes der fünf Teile des Symbolus trägt zum Verständnis dieses Programms bei, und in Anbetracht ihrer ikonologischen Tradition und Beziehung zur Geschichte der Frömmigkeit wäre es bei Bezügen auf die Devise sicherlich angemessener, statt auf Luthers Rose auf Luthers Herz zu verweisen. Angesichts solcher historischen Erwägungen lässt sich die Devise im Wesentlichen als Darstellung eines natürlichen Herzens charakterisieren, das von Hingabe gemartert, aber paradoxerweise durch den Glauben wiedererstarkt und Christus nun ähnlich ist. Da das Herz für Luthers eigene religiöse Wende steht, die somit auch Individualität rechtfertigte, könnte es sogar als universell erkennbares Symbol des modernen Menschen im Zeitalter der Renaissance und der Reformation bezeichnet werden.

Eine solche Bedeutung ließe sich Luthers Marke nicht zusprechen, wäre sie nicht durch eine Fülle früherer Symbole vorweggenommen und durch zeitgenössische Publikationsformen und nachfolgende Anwendungen vervielfältigt bzw. parallelisiert worden. Alle dazugehörigen Phänomene aufzuzählen und zu interpretieren, würde darauf hinauslaufen, eine Geschichte der lutherischen Reformation im Lichte der Spiritualität und des Symbolismus der damaligen Zeit zu schreiben. Dennoch sei gestattet, zu den in diesem Beitrag bereits erwähnten noch wenige Beispiele hinzuzufügen. Luther könnte den beeindruckenden Holzschnitt gekannt haben, den Lucas Cranach d. Ä. 1505 während einer Pestepidemie geschaffen hatte (Abb. 14).

Abb. 14
Abb. 14 Lucas Cranach: Vier Heilige, das Wappen einer dem Herzen Jesu geweihten Bruderschaft verehrend, Holzschnitt, 1505. Klassik Stiftung Weimar: DK 30/81
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Vier Heilige knien unter einem überproportional großen, von vier Putten gehaltenen Wappen. Auf dem Schild abgebildet ist ein in seinem oberen Einschnitt gekröntes und in Flammen stehendes Herz. Ein Kruzifix mit einem Spruchband am Fuße des T‑gestaltigen ‚Kreuzes‘ (Pest-Apotropaion) belegt dieses große Herz, dessen rechte Seite, vom Betrachter aus gesehen, mit kleinen Flammen übersät ist, wohingegen die linke Seite am Rand lediglich schraffiert ist. Das Herz kann vor allem als Zeichen der Dreifaltigkeit verstanden werden und drückt die Liebe Gottes für den Menschen, die Erlösung des Menschen von der Sünde durch die Opferung und den Sieg seines Sohnes am Kreuz sowie die Gewährung der Gnade durch die Herabkunft des Heiligen Geistes aus. Cranach war offenkundig mit dem allegorischen Verfahren vertraut, einem einzelnen Objekt verschiedene Bedeutungsebenen zu verleihen. In diesem Holzschnitt bewies er seine Meisterschaft in der Kunst, eine göttliche (Trinität), eine dazwischenliegende (Jungfrau Maria und die Heiligen) sowie eine menschliche Interpretationsperspektive in einem einzigen ikonographischen Programm anzuordnen. Bewegt sich das Auge des Betrachters von links nach rechts oder nimmt es beide Seiten des Herzens in den Blick, kann es die Auswirkung der göttlichen Gnade, Liebe und Gerechtigkeit62 nur dann erfassen, wenn es im Glauben auch auf das Leidenssymbol sieht (Röm 5,1– 8,9). Cranachs unterschiedliche Gestaltung der beiden Seiten suggeriert einen inneren Vorgang, der vom verschlossenen und unbewegten Herzen links zum offenen und erfüllten Herzen rechts führt. Die Wandlung wird durch die Liebe Gottes herbeigeführt, ausgedrückt durch die Opferung seines Sohnes. Die Kontemplation der Leidensgeschichte erweicht, wandelt und erfüllt das menschliche Herz, wenn es Christus in seine Mitte gelegt hat. Im Spruchband weht der Name einer Vermittlerin zwischen beiden Seiten des Herzens: die Mutter Christi.63 Die Kruzifixform, die Inschrift und die knienden Figuren (Jungfrau Maria, Johannes, der Evangelist und die Pestheiligen Sebastian und Rochus) zeigen an, dass das Bildprogramm auch einem apotropäischen Zweck diente und auf die Fürsprache der Heiligen sowie auf die Verehrung besonders des unbefleckten Herzens Marias Hoffnungen gelegt wurden. Obwohl im Holzschnitt augustinische oder paulinische Ideen auftauchen, die auch den berühmten Glaubensschild (Eph 6,16) einschließen dürften, sollten wir uns davor hüten, Cranachs Programm als eine vollwertige Vorwegnahme von Luthers Glaubensdogma zu lesen. Die kurfürstlichen und herzoglichen Wappen Sachsens (in den unteren Ecken des Holzschnitts) sowie das Hintergrundbild des kurfürstlichen Schlosses in Lochau, das Cranach 1505 ausgestattet hatte, setzt den Holzschnitt mit Friedrich dem Weisen (1463–1525) und dessen Bruder Johann (1468–1532) in Beziehung. Daher ist es nicht unwahrscheinlich, dass ein an der neugegründeten sächsischen Universität von Wittenberg lehrender Augustiner das religiöse Programm von Cranachs Holzschnitt erfand. Denkbar ist Johann von Staupitz (um 1465–1524), Professor für Theologie und Generalvikar des Ordens in Deutschland. Die große Wirkung seiner Frömmigkeit und augustinischen Theologie – oder vielleicht eher seiner paulinischen Doktrin – auf Luther belegte der junge Reformator einst mit einem Kommentar über Staupitz’ Lehre der „poenitentia vera […] quae ab amore iusticiae et dei incipit“.64

In Cranachs Holzschnitt steht die Einbindung einer komplexen theologischen Idee in ein einziges Programm wirkungsvoll im Kontrast zur Vielfalt religiöser ‚Werke‘ und Vermittler, die in der Erbauungsliteratur des späten Mittelalters empfohlen wurden. Ebenso entfernt sich die pseudoheraldische Einfachheit von Cranachs allegorischem Wappen vom Detailreichtum, der viele spätmittelalterliche Andachtsbilder charakterisiert – man denke an Darstellungen wie die eines Rosenkranzes, die die heilige Trinität, die Gottesmutter sowie eine Schar von Engeln, Heiligen, Verehrern usw. umfasst.65 In dieser Hinsicht gleicht Cranachs Holzschnitt der auf einen Sinnzusammenhang ausgerichteten Struktur von Luthers Symbolus. Ähnlich offenbart und verstärkt die geometrische Gestaltung im diagrammartigen Holzschnitt Alte und Neue Kirche von 1524 den didaktischen Zweck des Bildes.66

In einer Imprese kann die Abbildung nicht einfach mit der Darstellung einer bekannten Allegorie gleichgesetzt werden. Diese Unterscheidung gilt auch für Luthers Sinnbild, weil der Reformator es als merkzaichen seiner Theologiebenutzte. Mit dem eigenen Erlösungsprogramm wollte Luther in erster Linie selbst daran erinnert werden, dass der Mensch nur durch den Glauben an den gekreuzigten Christus gerettet wird. Sicherlich propagiert jede Imprese mindestens eine Absicht oder einen Verhaltensplan, doch da der Rosensymbolus Luthers Theologie kompakt zusammenfasste, konnte diese Devise auch dazu benutzt werden, anderen auf allegorische Weise zu predigen und sie zu bekehren. Deswegen konnte dieser Symbolus ein theologischer Bestandteil jeder Abhandlung oder Bibel werden, deren Veröffentlichung Luther jemals befürwortete oder beglaubigte.

Vor dem Hintergrund von Rabelais’ und Fischarts Kritik der höfischen Livreen und „divises“ sowie von verwandten Lehren Luthers über religiöse Reliquien und sakramentale Zeichen sind uns die Gründe dafür bewusst geworden, warum man von der Abbildung in Luthers Symbolus ähnlich wie von der humanistischen Imprese erwartete, dass sie der gelehrten Deutung des Bilds zu Diensten sein sollte. Vor Fischart hatten bereits Paolo Giovio (1483–1552) und andere Impresisti gefordert, dass Devisen eine Seele (anima) oder ein Motto haben müssten und nicht nur ein Bild oder einen Körper (corpo).67 Wie wir am Reliefmedaillon am Katharinenportal des Lutherhauses (Abb. 1) sehen, fügte der Reformator oder seine Frau dem Symbolus später die Inschrift „V.I.V.I.T.“ hinzu. Auf die Frage nach der Bedeutung dieses V.I.V.I.T. klärte Luther seine Schüler widerwillig darüber auf, dass der sogenannte reim seines Sinnbilds auf Christus verweise: „Wäre Er nicht am Leben, setzte der Reformator dazu, dann würde er, Luther, nicht auch nur eine Stunde länger leben wollen.“68 Im Einklang mit dem persönlichen Charakter von Devisen lehnte es Luther ab, eine zweite, geheime Bedeutung dieses Mottos preiszugeben. Sogar gelehrte Devisen können teilweise von biographischer Dunkelheit verhüllt sein. In allgemeinen Begriffen verkörpern und propagieren sie oftmals stilisierte persönliche Erfahrungen und Vorhaben. Allerdings deutete Luther an, dass die einzelnen Initialen des lateinischen Mottos für deutsche Wörter stehen. Wir wissen zwar nicht, welche, können aber sicher sein, dass sie, wie auch das Zusammenspiel der einzelnen Initialen, eine allgemeine religiöse Einsicht ergeben würden.

Wenn wir die Bibelstellen in mehreren verschiedenen Fassungen von Lucas Cranachs programmatisch-reformatorischer Tafelmalerei Allegorie von Gesetz und Gnade lesen, entdecken wir unter dem in dogmatischer Hinsicht wichtigsten Bildsegment (Lamm Gottes, Kruzifix und der aus dem Grab und Sarg auferstehende Christus) die Worte des heiligen Paulus: „Von Tode vnd Lamb Der Tod ist verschlüngen ym sieg Tod wo ist dein spiß Helle wo ist dein sieg: danck hab Gott der vns den siegk gegeben Hat durch Jesum christum vnsern herren. 1. Corinth. 15.“69 Dies versorgt uns mit verschiedenen möglichen Lösungen von Luthers Rätsel, die mit dem Paradox des siegreichen Todes Christi spielen: ‚Verschlungen Ist Vnsers Ihesu Tod‘, ‚Vberwunden …‘ oder ‚Vnsers Ihesu Vntergang Ist Triumph‘. Die Beweislage ist allerdings nicht eindeutig, keine dieser Lesarten lässt sich anderen denkbaren Dekodierungen klar vorziehen, etwa ‚Vertraw Ihesu Vnd Ihesu Tod‘.

Die Lutherrose wurde auch mit anderen Motti verbunden, doch handelt es sich dabei um poetische Interpretationen von sprichwörtlichen Vorlagen, etwa „DES CHRISTEN HERTZ AVF ROSEN GEHT WENS MITTEN VNTERM CREVTZ STEHT“,70 oder um die Anwendung von Lieblingssprüchen Luthers auf seinen Symbolus, etwa eines Bibelverses, der sich auch auf dem Wittenberger Baldachin-Relief findet: „IN SILENCIO ET SPE ERIT FORTITVDO VESTRA“.71

Die Medaillonform vieler Luthermarken, vor allem des Wittenberger Steinreliefs mit seiner Porträtvorder- und Impresenrückseite ist charakteristisch für viele frühe Impresen, die Fischart und anderen zufolge „nach Exempel der alten Römischen Keyser“ (siehe oben), das heißt im Geiste von Münzsymbolen wie dem berühmten (sich um einen Anker windenden) Titus-Delphin gestaltet waren. Ein einschlägiges Beispiel dafür ist die ursprünglich von Quentin Massys (um 1466–1530) erschaffene Terminus-Medaille des Erasmus,72 weil sie ein altes römisches – wahrscheinlich den Libri ab urbe condita des Livius(Liv. I,55 u. V,54) entlehntes – Symbol zur Vorlage nahm, das sich für eine Medaille-Rückseite eignete. Erasmus benutzte diese ehrwürdige Form, um einem Humanistenkollegen seine Hochachtung zu erweisen und seinen eigenen Ruhm zu befördern, vor allem aber um seine unerschütterliche sokratische und christliche Haltung zwischen den Fronten der religiösen Parteien zu verteidigen. Zu dem Zeitpunkt, da die Lutherrose zum ersten Mal auf einer (auf 1533 datierten) Medaille erschien (Abb. 15),73 standen Luther und sein Symbolus allerdings bereits im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

Abb. 15
Abb. 15 Hieronymus Dietrich (Magdeburger) (zugeschr.): Luthermedaille, 1533
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Wenn das Rosenporträt auf der Titelseite von Luthers Leipziger Predigt (Abb. 16) nicht von einer heute verlorenen Medaille kopiert wurde, dann spielten Medaillen (Abb. 15–17)74 wohl eine weniger wichtige Rolle bei der Verbreitung der Lutherrose als Kennzeichen der Lehre oder des Ruhms Luthers als gedruckte Medien.

Damit ist nicht gesagt, dass Luthers Rosensiegel nicht die Aufmerksamkeit überaus illustrer Kreise der Kirche und des sächsischen Hofs gewonnen haben könnte, noch bevor es in einem Buch abgebildet wurde. Als symbolisches, jedoch überaus reales Kernstück eines diplomatischen Plans, der darauf abzielte, Luther die kurfürstliche Unterstützung zu entziehen, gab eine Goldene Rose, die Leo X. und seine Kardinäle Friedrich dem Weisen am 3. September 1518 verliehen hatten, Luther Anlass zu großer Sorge.75 Unter der Bedingung der Auslieferung Luthers übergab Karl von Miltitz (um 1490–1529), privater Kämmerer und Sekretär des Papstes, den Vertretern Friedrichs in Altenburg am 25. September 1519 dieses hochbegehrte Zeichen päpstlicher Gunst, zusammen mit dem Versprechen eines vollständigen Ablasses und mit Beschwerden über den Zustand der Kirche. Als der Kurfürst die Auslieferung Luthers ablehnte, handelte Miltitz auf eigene Faust eine Vereinbarung mit Luther aus, die allerdings dazu verdammt war, aus politischen und dogmatischen Gründen zu scheitern. Auf allen Medaillen, die zu Luthers Lebzeiten geprägt oder gegossen wurden, fehlt dem Rosensymbolus die Inschrift V.I.V.I.T. (auf den meisten stand stattdessen Gottes Ermahnung Israels, Jes 30,15). Ihre Verwendung bzw. ihr Fehlen kann demnach als Indiz für die jeweilige Verwendung als Rosenmedaille oder als persönliche Devise Luthers (von der als einziger das unklare V.I.V.I.T. bekannt ist) gedeutet werden. Mit Bibelsprüchen oder ihren für Devisen und Gedichte angepassten Variationen wurden die Betrachter dieser Medaillen an Luthers Grundsatz erinnert, dass der Glaube an das Kreuz Christi das christliche Herz stärken und seine Leiden in Hoffnung, Frieden und Freude verwandeln wird.

Abb. 16
Abb. 16 Christian Juncker: Das Guldene und Silberne Ehren- Gedächtniß Des Theuren Gottes-Lehrers D. Martini Lvtheri, Frankfurt a. M./Leipzig [Nürnberg]: Endter/Schleusingen/Göbel 1706, S. 132. HAB: M: Li 5606
Abb. 17
Abb. 17 Wolfgang Milicz: vergoldete Luthermedaille, 1537
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Obwohl der Kern des theologischen Programms sowohl aus dem persönlichen Symbolus als auch aus solchen Medaillen auf diese Weise erschlossen werden kann, darf kein Zweifel daran bestehen, dass die primäre Funktion solcher Medaillen eine ganz andere ist als die der persönlichen Devise. Wäre die Rose als Luther- oder Reformationsmarke auch nicht so berühmt gewesen oder hätte es die Zusammenstellung des Symbolus so nicht gegeben, welches ohne Luthers Anleitung nicht verlässlich interpretiert werden konnte, wären die Zeitgenossen des Reformators versucht gewesen, das Medaillensinnbild als religiöses Emblem zu verstehen. Sicherlich kann eine Porträtmedaille auch eine persönliche Bedeutung behalten. Als öffentlicher Symbolusoder als Mahnzeichen wird ihr Revers allerdings jedes Motto, einschließlich das einer persönlichen Imprese, in eine Botschaft – ob nun religiöses Dogma, moralischer Grundsatz oder politischer Aphorismus – mit mehr oder weniger universeller Anwendbarkeit umformen. Die antike Gattung der Medaillen eignete sich besonders gut dafür, solchen Lehren und ihren Vertretern ein Denkmal zu setzen und so Medaillenfiguren in Vorbilder für vorbildhafte Einsichten und Verhaltensweisen zu verwandeln.Es kann davon ausgegangen werden, dass die Rosenmedaillen der 1530er und 1540er Jahre nicht primär für propagandistische Zwecke vorgesehen waren. Wie Luthers Siegelring oder das Medaillon unter dem Wittenberger Baldachin sind die Rosenmedaillen auch frühe Anzeichen für einen Lutherkult. Luthers Frau war von der Devise offenbar besonders angetan: Man findet sie auch auf dem Deckel ihres Krugs,76 auf einem farbigen Relief in ihrem Anwesen in Züllsdorf 77 und sogar auf ihrem gemalten Epitaph in der Gemeindekirche in Torgau.78 Variationen in Luthers Devise wie das Weglassen des blauen Felds und des goldenen Rings oder die heraldische Nutzung des Symbolusals Wappenbild sollten grundsätzlich nicht der Nachlässigkeit oder einer Laune des Künstlers zugeschrieben werden. Da in diesen Fällen der Symbolus nicht als Beglaubigung oder Warenzeichen diente, konnte er an die variierenden künstlerischen und kommunikativen Bedürfnisse der verschiedenen Medien angepasst werden. Es fällt auf, dass die meisten Änderungen von Anhängern gemacht wurden, die die Gewohnheiten des hohen Adels nachahmten, indem sie diesen Ausdruck des Geistes des Reformators auf Gebäuden (Abb. 18), Geräten, Bucheinbänden, Medaillen, Gemälden, Grabplatten79 und anderen Gegenständen platzierten.

Abb. 18
Abb. 18 Portal an Luthers Geburtshaus in Eisleben, Lutherstr. 2. Luthers Brustbild mit Lutherrose (1693). Überschrift: „Gottes Wort ist Luthers Lehr, darum vergeht sie nimmer mehr“
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Beispielsweise wurde ein Etui für ein beschriftetes und mit einem Porträt bemaltes Glas, das Luther Justus Jonas (1493–1555) geschenkt hatte, von einem unbekannten Künstler so gestaltet, dass er den Rosensymbolus mit einem Kranz umschloss und ein Epigramm von Helius Eobanus Hessus (1488–1540) hinzufügte: „CRUX CONIVNCTA ROSÆ, MENS EST ET VITA LUTHERI: DELICIAS NOTAT HAEC, ILLA IVGVM DOMINI.“80

Dieses Epigramm ist eines der ersten Dokumente in der langen Folge von Arbeiten über die Lutherrose. Da Eobanus mit dem Reformator im Briefwechsel stand, kannte er sein Siegel sicherlich. Wenn Eobanus’ Deutung der Lutherrose auf dem berühmten Brief an Spengler basiert, was sehr gut der Fall gewesen sein kann, dürfte er das Epigramm bereits 1530 verfasst haben. Außerdem hatte er ähnliche Epigramme auf dreizehn von den siebzehn Impresen und Wappen geschrieben, mit deren Gestaltung in der Erfurter Matrikel von 1520/21 Crotus Rubeanus (um 1480–1545) einen Maler beauftragt hatte. Deswegen könnte das Luther-Epigramm auch kurz nach 1520 erdacht worden sein, als Eobanus noch an der Universität Erfurt lehrte. Crotus und Eobanus hießen Luther am 6. April 1521 auf seinem Weg zum Reichstag zu Worms willkommen: Crotus, indem er ihn feierlich in die Stadt geleitete, und Eobanus, indem er ihn in einem Gedicht pries.81 Die Matrikeldevisen und Eobanus’ Verse weisen auf einen frühen Impresenkult in einem deutschen Humanistenkreis hin. Die Träger von Devisen und Wappen waren mit Ausnahme von Erasmus, Mosellanus, Nesen, Reuchlin, Rhegius und Melanchthon Erfurter Humanisten gewesen oder waren es zu dieser Zeit noch. Einige von ihnen, einschließlich Melanchthon und Nesen, hatten auch an der Wittenberger Universität studiert oder unterrichtet. Als Gönner oder Freunde von Crotus und Eobanus gehörten sie dem Zirkel von Mutianus Rufus (1470–1526) an, hatten zusammen mit Luther studiert oder lehrten in Erfurt. Wir wissen nicht, ob die Lutherrose von Devisen beeinflusst oder gar durch solche veranlasst war, die Luther gesehen oder von denen er gehört hat, als er Student und Mönch in Erfurt oder Professor in Wittenberg war. Die Annahme liegt allerdings nahe, da einige Mitglieder der Gruppe, darunter Mutianus, Eberbach und Crotus, in Italien studiert hatten. Freilich kann die Geschichte dieser Devisen und die Beziehung ihrer Träger zu Crotus und Eobanus in diesem Kontext nicht erschöpfend behandelt werden. Allerdings wird die eingehendere Untersuchung dieses Materials wahrscheinlich die Idee stützen, dass Luthers und Melanchthons Marken, ungeachtet ihrer einzigartigen Rolle als religiöse Symbole, ursprünglich als humanistische Devisen konzipiert waren und auch so verstanden wurden. Da die Devisen des Crotus im heraldischen Stil gestaltet und neben echte Wappen platziert oder von Eobanus im Zusammenhang mit heraldischen Abzeichen interpretiert wurden, boten sie Humanisten von bescheidener Abstammung ein Mittel zur Bestätigung ihrer virtus als Ausdruck ihres Tugendadels.82 In mancher Hinsicht sticht die Form von Luthers Devise auch nicht aus dieser größeren Gruppe von Symbolen heraus. Ob Eobanus mit Luthers Verständnis der Rosenmarke nun vertraut war oder nicht, fest steht, dass er die Devisen und Wappen als Anlass nahm, um ihre Träger mit geistreichen Epigrammen zu ehren, die die eigentliche Bedeutung dieser Abzeichen nicht notwendigerweise spiegelte.83 Dies steht nicht nur im Einklang mit der Epigrammtradition, sondern verweist auch darauf, dass die Kommunikation von persönlichen humanistischen Devisen in ihrer Verbreitung und Verherrlichung auf eingespielte Formen der Anerkennung und Verkündung wie den heraldischen Schild, die Matrikel und Albumeinträge oder eben das Epigramm angewiesen war. In den meisten frühen Impresen einzelner Adeliger, Künstler oder Gelehrter, die sich nur an den Hof oder kleine Freundeskreise richteten, waren Epigramme oder ausführliche Erklärungen nicht als notwendiger oder angemessener Zusatz angesehen. Wenn diese Devisen ein denkwürdiges Objekt darstellten oder ein Namensmonogramm, eine Chiffre, eine Renaissancehieroglyphe oder die Initialen eines Mottos enthielten (in den Fällen von Petz, Menius, Cordus und Rhegius), kam dies für Freunde und Fremde der Aufforderung gleich, diesen ‚Text‘ zu entziffern und auf diese Weise zum Ruhm des Trägers beizutragen. Somit war das Deuten von Impresen offensichtlich nicht als eitler Zeitvertreib untätiger Intellektueller angesehen. In den Augen von Fürsten und Gelehrten gleichermaßen konnte das Erfinden und Lobpreisen von Impresen sogar zur wichtigsten Aufgabe von Akademien werden. Da eine Devise darüber hinaus ihre eigene Rezeptionsgeschichte haben kann, lässt sie sich nicht richtig interpretieren, wenn sie lediglich als auktorialer Text behandelt wird. Angesichts nachteiliger Lesarten mussten berühmte Devisen wie Erasmus’ Terminus verteidigt und mit neuen Bedeutungen ausgestattet werden. Luther befand es sogar für nötig, den persönlichen Charakter seiner Imprese zu schützen.84 Obwohl Drucker häufig seine Initialen neben die Rose platzierten, erreichte der Name nicht mehr, als das Buch zu authentifizieren und zur Schöpfung eines Warenzeichens und eines Gütesiegels beizutragen. Wenn Luther auch versuchte, die angemessene Deutung seines Symbolus zu sichern, indem er ihm einen Bibelvers oder ein Motto anhängte, gelang es ihm doch, sich selbst eine private Bedeutung zu bewahren. Die Entfremdung zwang dazu, neue Formen der Imprese zu entwickeln, in der das Motto zum entscheidenden Element der Devise wurde. Auf Medaillen geprägt wandte sich Luther gleichsam als Prediger mit einem Bibelvers (Jes 30,15) an sein Publikum. Als Freund, Lehrer oder Mitmensch enthüllte er mit der Erfindung des Mottos V.I.V.I.T. lediglich die allgemeine Bedeutung seiner persönlichen Devise und entfernte so die soziale und akademische Dimensionen von der Sphäre religiöser Privatheit.

Da es kaum ein Medium oder eine Kunstform gab, die den Ruhm der Lutherrose nicht weiterverbreitet hätte, waren auch fragwürdige Aneignungen und komische Verirrungen im Laufe der Geschichte des Symbolusunausweichlich. Beispiele für unsere Zeit sind eine kitschige Rosen-Brosche, die für 1,80 Mark (zehn Broschen für 15 Mark) verkauft wurde (Abb. 19), oder ein mitteldeutsches Backwerk in Form der Lutherrose („Reformationsbrötchen“).85

Abb. 19
Abb. 19 Anzeige in einer nichtidentifizierten Publikation, 18 × 11,4 cm (Ausschnitt)
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Allerdings erwächst Trivialität nicht nur aus moderner Massenproduktion und aus der Popularisierung von Missionsarbeit. Als Gefahr drohte sie einigen Aneignungen von Luthers ambitionierter theologischer Marke bereits im 16. Jahrhundert, man denke an das Schutzetui von Jonas’ Glas, die Rosenprägungen auf Bucheinbänden oder die stereotypen Rosen in Lutherporträts. Zwischen „säkularisierten Reliquien“86 und Memorabilia aller Art angesiedelt, einschließlich legendenhaften oder echten Zeugnissen des Lebens und Wirkens Luthers, büßte die Lutherrose, hier als das von ihrem Träger intendierte ,Merkzeichen‘, seine private Selbstbezogenheit ein, und wurde zu einem Ausdruck, sogar zu einem Mittel der Teilnahme an Luthers Glauben oder der Versicherung des alles entscheidenden Glaubens selbst. Obwohl in Lutherporträts die Rose den Platz eines Wappens einnehmen konnte, diente sie immerhin einem breiteren ikonologischen Programm von theologischer und kirchlicher Bedeutung, vergleichbar mit dem Buch in der Hand des Reformators. Wenn ein Platten- oder Rollenstempel mit dem Porträt Luthers und seiner Rose auf einen Bucheinband geprägt wurde, geschah dies im Auftrag des Besitzers, und für ihn muss das Sinnbild beim Lesen des Buches eine Bestätigung der Lehre Luthers gewesen sein. Gelegentlich wird die Wirkung des Zeichens der eines Amuletts geähnelt haben, das den Gläubigen in seiner spirituellen Andacht schützen konnte. Mit Ausnahme von Titelblättern, Medaillen und nur wenigen anderen Objekten weisen lediglich Bucheinbände zu Lebzeiten des Reformators Kombinationen von Lutherporträts und ‑rosen auf.87 Da Bücher üblicherweise im Auftrag ihrer Besitzer gebunden wurden, konnten Stempelprägungen die frommen Gefühle der protestantischen Leser möglicherweise leichter spiegeln als andere Kunstformen. In Graphiken, Gemälden, Reliefs und anderen Kunstgattungen kam der Rose nach dem Tod des Reformators eine besonders wichtige öffentliche Rolle zu. Die heraldische Gestaltung der Rose und ihre Einbindung in umfassendere ikonologische Programme trug zur Entwicklung eines Lutherkultes bei, der wiederum der Devise die spezielle symbolische Bedeutung zuteilte, die sie für Lutheraner und die protestantischen Kirchen im Ganzen besitzt. Ob nun als Element eines Lutherkults oder als Reformationssymbol, die Devise hatte sich zu einem Emblem des Lutherbilds entwickelt, zu einem kirchlichen Abzeichen des christlichen Glaubens und sogar zu einer Allegorie der Geschichtsphilosophie.88

Übersetzt von Klara Vanek

 

 


 

*  Der vorliegende Beitrag erschien zuerst unter dem Titel Luther’s Rose: Observations on a Device in the Context of Reformation Art and Theology, in: Emblematica 2.1 (1987), S. 1–60. Er wurde vom Verfasser besonders in den Anmerkungen verändert und zum Teil durch Abbildungen ergänzt.

1  Im unten zitierten Brief vom 8.7.1530 an Lazarus Spengler nannte Luther seinen Symbolus „ain merkzaichen meiner Theologia“.

2  Freund 1971 nennt die Lutherrose zwar Emblem, gebraucht diesen Begriff jedoch ohne Erklärung und gleichbedeutend mit „Wappen“, „wappenähnliche Figuren“, „Wahlwappen“, „Insignien“, und „theologisches Sinnbild“. Auch Herrmann 1932 spricht von einem Wappen. Kekulé von Stradonitz 1917 benutzt einen heraldisch widersprüchlichen Begriff: „Über das Wahlwappen Luthers“. Vgl. Warnecke 1890, S. 22. Luthers Siegel von 1516 wurde aber noch 1536 von einem „Amanuensis“ Luthers gebraucht! Vgl. Knaake 1872; Knaake 1880; Köstlin 1871, bes. S. 18–23. Ältere Literatur in Herrmann 1932, S. 5 sowie bes. in Fabricius 1728–1730, Bd. 1, S. 408–412.

3  In den Acta Lutherorum (UB Leipzig) steht das Wappen (König Sigismunds 1413) für einen nichtverwandten Fabian Luther von der Heede/von Herde, das Martins Bruder Jakob Luther entdeckt und für seine Familie arrogiert haben soll. Vgl. Luther 1954. Könnte Jakob dieses Wappen arrogiert haben, weil Martins Rose schon berühmt war?

4  Vgl. Conermann 1987a.

5  Wappenschild rot, rechts pfahlweise aufsichtig zwei weiße Heckenrosenblüten; links pfahlweise eine halbe goldene Armbrust. Mit zwei Hörnern (rot, silbern) besteckter silberner Helm, mit rot-weißen Decken (siehe Anm. 3). Vgl. Diwald/Jürgens 1982, S. 162 u. Abb. 159, mit der Behauptung: „Wappen der Familie Luther mit den zwei Rosen. Luther schuf aus dieser Vorlage das ,Merkzeichen meiner Theologie‘.“

6  Luthers Enkel Johann Ernst (1560–1637) könnte als erster sowohl die Lutherrose als auch das Familienwappen benutzt haben. Luther 1954, S. 16.

7  Goldener Ring, Bergkristall: zwei kleine goldene Blüten über einem deutschen Schild mit drei verschlungenen Ringen (1, 2) als Symbol der Dreieinigkeit. Neben dem Schild Jahresangabe „15 | 12 (?)“ und früher angeblich die Initialen DML. Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig. Schreckenbach/Neubert 1921, S. 57; Kat. Halle 2008, D 14.

8  Erst auf dem Titelblatt eines Luthersermons von 1519 (Abb. 6) erblicken wir einen Holzschnitt mit Luthers Figur, seinem Namen und einer Rose, die aber noch nicht in der Art der bekannten Lutherrose gestaltet ist. Vielleicht ein Holzschnitt nach einer frühen, nicht bekannten Medaille?

9  Zur Bestrafung der Israeliten sandte Gott bissige Feuerschlangen, befahl aber dann Moses: „Mache dir eine eherne schlange/ vnd richte sie zum zeichen auff/ Wer gebissen ist/ vnd sihet sie an/ der sol leben“. Num 21,6–9 (Lutherbibel 1534). Symbolisiert als Schlange über einem t-förmigen Gerüst. Vgl. Ehresmann 1966–1967.

10  Vgl. Ehresmann 1966–1967, S. 23.

11  Z. B. in Luthers De Captivitate Babylonica Ecclesiae, Wittenberg: Melchior Lotter 1520. Vgl. Benzing 1966, Nr. 704. Die Eherne Schlange wurde auch von anderen Druckern wie Michael Hillenius (Antwerpen 1520) und Heinrich Steiner (Augsburg 1522/29) verwendet. Vgl. Luther 1973, Tafeln 1 u. 12. 1520 gebrauchte Lotter Schlangen in Einfassungen von zwei Luthertiteln, in jeweils zwei Schriften Ulrich von Huttens und Johannes Oecolampadius’ an Luther sowie in zwei Traktaten von Erasmus bzw. den Magistri Lovanienses gegen Luther.

12  Luther 1973, Tafeln 23, 38, 51, 78 u. S. XVIf. u. XIX. Auch Kombinationen von Rose und Schlange, daneben andere symboli der Reformation oder der Reformatoren: Lamm, Guter Hirte, Jonas-Wal, Cruciger-Taube mit Arche Noah. Andachtswerke benutzten das griechische Tau oft als Apotropaion. Siehe Anm. 17. Vgl. Schramm 1920–1943, Bd. 13, Nr. 130.

13  Vgl. Kat. Wolfenbüttel 1983, S. 176f.

14  Vgl. ebd., Kat. Nr. 79.

15  Vgl. Lurker 1985, S. 392f.

16  Luther 1524, Bl. CCXVI r.

17  Joh 3,14f. Ein sog. Pesttaler parallelisiert die Erlösung in beiden Testamenten, indem er vorn die Eherne Schlange und hinten ein Kruzifix zeigt. Ehresmann 1966–1967, Abb. 4; vgl. Kat. Nürnberg 1983, Kat. Nr. 493.

18  In seinen Tischreden verteidigte Luther einmal die tradierte Auslegung des agnus Dei mit dem Hinweis, dass die Passion Jesu im Zeichen Aries stattfand. WA TR 3, Nr. 3500. Diese Allegorie aus dem Tierkreis weist nach Luther im ptolemäischen Weltbild weiterhin auf Jesu Stellung zwischen den Polen der Sonnenbahn (Cancer als Gottvater, Capricornus als Hl. Geist) und auf sein Verhältnis zu den zwölf Aposteln (zwölf Tierkreiszeichen), zu den Engeln (Planeten) und zur Kirche, welche die Trinität und die Passion zwischen den Himmelspolen wahrnimmt.

19  Vgl. Kat. Wolfenbüttel 1983, Kat. Nr. 9, Abb. 8b; Warburg 1932, S. 520f. Luther als Mönch, daneben Feuerstahl und amputiertes Bein, schneidet alles Fleisch ab und entzündet die christliche Liebe. Luther schrieb an Wenzeslaus Link am 19.5.1527: „Nihil novi apud nos nisi libellus vester [i. e., Norimbergensium] imaginarius de Papatu, in quo imaginem meam cum falce valde probo, ut qui mordax et acerbus tot annis ante praedictus sum futurus, sed rosam pro meo signo interpretari dubito, magis ad officium etiam pertinere putarim.“ WA BR 4, S. 203.

20  Kardinal Cajetan nannte 1518 Luther einen Anhänger des Jean Charlier Gerson, weil auch der Wittenberger Mönch die Lehrautorität des Papstes ablehnte und ein allgemeines Konzil anrufen wollte. WA TR 4, Nr. 5523.

21  Kat. Nürnberg 1983, Kat. Nr. 501. Vgl. Gerson 1706, Bd. 3, S. 436–449.

22  Z. B. Luther als der schon von Jan Hus präfigurierte Schwan, der wiederum wegen seines Feuertodes von Luther mit dem Phönix assoziiert wurde. Vgl. Scharfe 1968, S. 88f., 184, 189–192, 220 u. Abb. 11; Kat. Wolfenbüttel 1983, Abb. 14; Ficker 1920, Abb. 20.

23  WA DB 2, S. 278. Vgl. auch Kat. Nürnberg 1983, Nr. 590; Kat. Wolfenbüttel 1983, Abb. 75. Siehe auch Luther 1531; WA DB 2, S. 502: Lutherrose ohne Ring und Eherne Schlange auf umrahmten Schilden; vgl. Kat. Wolfenbüttel 1983, Abb. 87.

24  Luther 1973, S. XVII, XXI u. Abb. 42a, 48, 120.1; Luther 1954, S. 14 u. Abb. 7 u. 8; Benzing 1966, Nr. 3553, 3554 u. 3556.

25  Auch Volz 1954 bemerkte, dass der Gebrauch der Lutherrose als „Schutzmarke“ allmählich abnahm und durch andere Verwendungen ersetzt wurde.

26  Hans Lufft druckte diese Titelseite seit 1533 wie die in der Wittenberger Matrikel mit den Impresen Luthers und vier anderer Reformatoren (Melanchthon, Jonas, Bugenhagen, Cruciger). Siehe auch die Titelblätter von Melanchthon/Luther 1538 u. Luther 1539a.

27  Vgl. Fechner 1981; Klose 1988; Klose 1989; Klose 1999; Schnabel 2003.

28  Während eines Rektorats des Johannes Crotus Rubeanus (bald nach dem 6.4.1521) wurde dessen Wappen zusammen mit den Symboli und Wappen von 17 Humanisten in die Erfurter Matrikel gemalt, darunter die variierte Lutherrose (auf Schild, ohne Ring; sechsblättrige Rose mit den grünen Spitzen der Kelchblätter und goldenem doppelten Kreuz) und die Eherne Schlange Philipp Melanchthons. Vgl. Historische Kommission der Provinz Sachsen 1884, nach S. 316, farbige Abb., auch mit Erasmus’ Terminus (in Rot Kopf des Terminus auf goldener Säule; „Eras.“), Justus Jonas (in Blau natürlich: Jonas im Maul eines Wals; „Ju. Jon.“), außerdem J. Crotus Rubeanus, Helius Eobanus Hessus, Ulrich von Hutten, Joachim Camerarius d. Ä., Adam Crato (Kraft), Johannes Draconites gen. Karlstadt, Petreius Aperbachius (Peter Eberbach), Johannes Lang, Justus Menius, Conrad Mutianus Rufus, Georg Petz gen. Forchheim, Johannes Reuchlin und Urbanus Rhegius. Vgl. die auf diese Bilder geschriebenen Epigramme (Anm. 80). Diese Impresen gehen den Eintragungen in geschriebenen und gedruckten Büchern (späte 1540er Jahre) zeitlich voran.

29  Luther empfing in aller Bescheidenheit den goldenen Ring mit einem geschnittenen Karneol (Lutherrose in Ring auf Schild). Siehe seinen Brief an Melanchthon vom 15.9.1530: „Donauit me princeps aureo annulo, Sed vt viderem non esse me natum auro gestando, statim a pollice lapsus in terra[m (est enim] laxior paulo & amplior digitis meis). Dixit: Tu vermis es, [et non homo]; Fabro & Eccio debebat donari, Tibi plumbum seu restis [potius con]ueniebat aut funis in gutture.“ WA BR, Bd. 5, S. 623; vgl. WA BR, Bd. 13, S. XXXII, S. 144f. u. Bd. 14, S. XXVI. Johann Martin Luther gab den Ring Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen, daher gelangte er ins Grüne Gewölbe. Vgl. Sponsel 1925–1932, Bd. 3, S. 26; Starke 1983, Bd. 2, Abb. 61; Kat. Halle 2008, E 1.

30  Zitat einer längeren Briefversion. Abschrift aus dem „Geschlechterbuch“ der Familie Lazarus Spenglers d. J. (1551–1618). Förster 1902, Tafel 1: Abbildung von Andreas Dreßlers (1530–1614) Miniatur eines Engels mit zwei Schilden: Lutherrose und Löwen-Wappen Katharina von Boras, dazu eine Abschrift des Briefanfangs. Eine kürzere Brieffassung in WA BR 5, S. 444f. (ohne Provenienz). Unter der Miniatur Zitat des Wahlspruchs Luthers: „ESAIE, XXX. IN SILENCIO ET IN SPE. ERIT FORTITVDO VESTRA“. Luther kommentierte seine Aussage 1546: „Non enim loquitur de vaga fide, sed de relativa ad verbum Dei, quod est virtus Dei in salutem omni credenti. Hoc verbum incarnatur & cordescit, dum fide apprehenditur: & sic corde creditur ad justitiam.“ Luther WA 58, S. 199; Juncker 1706, S. 228f.

31  WA TR 3, Nr. 3436: „Mysterium sigilli Doctoris Martini Lutheri

   Circulus             consummatum

   rosa  significat    gaudium

   cor                     cordis

   crux                   in cruce.“

32  Vgl. Meier 1974; Ohly 1983, passim. 1522 sandte Spalatin Luther einen Karneol, damit er Offb 21,19f. besser verstehe und übersetze. WA BR 2, S. 490, 524, 527, 532 u. 537. Vgl. WA TR 3, S. 411 (Luther über den Türkis). Der Karneol (Offb 21,20; griech. Sardion) bedeutet September (zu diesem Zeitpunkt erhielt Luther den Ring), und das Blut der Märtyrer (Hrabanus Maurus) hält das Bluten an, erneuert das Blut, besänftigt Furcht und Zorn, vereitelt Hexerei, dient als Talisman usw. Vgl. Meier 1977; Bächthold-Stäubli 1927–1942, Bd. 2, S. 551–557, Bd. 4, S. 1000f.

33  Vgl. Mt 28,3, Joh 20,12 u. Bächthold-Stäubli 1927–1942, Bd. 2, S. 937, Bd. 3, S. 349.

34  Meier 1974, S. 393ff.

35  Fischart 1969, S. 176 u. 178–184. Die entsprechenden französischen Zitate stammen aus François Rabelais’ Gargantua (1542). Vgl. Rabelais 1962, S. 38 u. 40–43. Siehe Russell 1985, S. 22ff. u. 34ff.; Volkmann 1962, S. 66ff. u. 100ff.

36  Conermann 1987a, S. 47, 52 u. passim. Vgl. auch Fischarts Vorwort in Mathias Holtzwarts Emblematum Tyrocinia (1968, S. 16f.).

37  Abgesehen von Horapollo, Colonna, Valeriano und Calcagnini wurden die folgenden Autoren erst in der Geschichtklitterung-Ausgabe von 1582 hinzugefügt. Die vorhergehenden Begriffe und Namen finden sich schon in der Ausgabe von 1575. In der Holtzwart-Vorrede erwähnt Fischart (1968) noch Sambucus, Giovio, Paradin, Valeriano, Goropius, Calcagnini, Herold, Cittolini und Junius.

38  Aldus bezieht sich in diesem Namen auch auf Aldus Manutius d. Ä. (wahrscheinlich in der Zeit von Paulus Manutius, nicht in der von Aldus d. J.). Die ersten Ausgaben von Horapollo (1505) und Colonna (1499) sowie eine Alciato-Edition (1546) erklären, warum Fischart diese beiden Drucker meinte.

39  Russell 1985, S. 35 konstatierte „an evolution from identification to communication as the principal function of the device.“

40  Vgl. Fischart 1968, S. 17 u. 10.

41  Vgl. ebd., S. 12.

42  Vgl. ebd., S. 183.

43  Vgl. ebd., S. 17.

44  Vgl. ebd., S. 15.

45  WA BR 1, S. 37f.

46  „Sicut si dixeris: Ista gemma habet hanc virtutem ex Deo, Vt qui eam portat, non possit sautiari, Ita Euangelium ex Deo hoc habet, Vt qui ipsum crediderit, saluetur.“ Luther WA 56, S. 10.

47  Conermann 1987, S. 58. In diesem Zusammenhang interessiert der Ausdruck Losung, der auch höfische oder kriegerische Wahlsprüche bezeichnete, in einem Brief Luthers an die schweizerischen Städte vom 1.12.1537: Es sei nämlich die „Tauf Gottes äußerlich Zeichen, ja Gezeug und Werk sei, dadurch Gott in uns wirke, damit es nicht ein lauter Menschenzeichen oder Losung sei.“ WA BR 8, S. 152.

48  Luther unterscheidet in Vom Abendmahl Christi, Bekenntnis (1528) zwischen sakramentalem und figurativem Verständnis des Leibes Christi anhand eines Beispielworts. WA 26, S. 272f.

49  „Jn den Worten des Abendmahls wollen die Sacramentirer einen Tropum machen, wie in dem Loco eine Figura ist: ‚Ego sum Vitis vera.‘ Darauf sagte D. M. L.: ,Wenn man dahin will, daß man so Tropos machen will, so haben wir Christum verloren. […] St. Augustinus hat eine Regel gegeben, quod figura et allegoria nihil probet, sed historia, verba et grammatica.“ WA TR 4, Nr. 4448. Luther zitierte Augustin nicht wörtlich. Vgl. MPL, Bd. 33, S. 334 u. Bd. 43, S. 397.

50  WA TR 4, Nr. 4498.

51  Vgl. WA 18, S. 136.

52  Z. B. Starke 1983; Kat. Hamburg 1983b; Stirm 1977; Christensen 1979.

53  Im linken Fenster des Chors seiner Erfurter Klosterkirche können wir noch heute – wie einst Luther – ein zwischen 1300 und 1320 entstandenes Fenster mit Blattrosetten (mit Weinblättern und Reben), Papageien und Lilien bzw. Löwen mit Weinlaub und kleinen Rosetten betrachten, darin besonders in einem blauem Feld (Wein) jeweils eine Rosenblüte (weiße Kelchblätter um rote Mitte), die zwei rückwärts zur Rose gekehrte und einander ansehende goldene Löwen (lions rampants) begleiten. Vgl. Haetge 1931. Eine Vorform der Lutherrose und Anregung zu ihrem Programm darf man in diesem Fenster allerdings wohl nicht vermuten, obgleich die Kirche damit heute wirbt.

54  Haetge 1931, S. 101ff. u. 105, Abb. 105. Vgl. Augustinus 1981, S. 134 (lib. 1,1, S. 134; vgl. lib. 9,2, S. 3): „Sagittaueras tu cor nostrum caritate tua, et gestabamus verba tua transfixa uisceribus et exempla seruorum tuorum, quos de nigris lucidos et de mortuis uiuos feceras, congesta in sinum cogitationis nostrae urebant et absumebant grauem torporem, ne in ima uergeremus […].“ Siehe auch S. 246ff. (vgl. lib. 13,9, S. 10) und Augustinus: De trinitate, lib. 8,7 (1968, S. 10).

55  Frühe, Augustin zugeschriebene Predigten. Vgl. Kat. Nürnberg 1983, Kat. Nr. 499; Kat. Basel 1974, Bd. 1, Kat. Nr. 8, S. 58f. u. Bd. 2, S. 462–466.

56  Loewenich 1959, S. 84: „Die Lehre von der synteresis kann sich mit Recht auf Augustin berufen. Gnade ist nicht formatio, sondern reparatio der Natur. Der bleibende Einfluß des Platonismus läßt es bei Augustin nicht zu dem radikalen Paulinismus Luthers kommen. […] Gratia ist nach reformatorischer Lehre favor Dei.“

57  MPL, Bd. 183, S. 1072.

58  Eingeführt von Adolf von Essen und Dominicus von Preußen für ein Programm von Gebeten und Meditationen. Vgl. Klinkhammer 1972; Kat. Köln 1975.

59  Elze 1965, S. 401: „Die reformatorische Theologie stellt sich unter dem hier aufgenommenen historischen Aspekt dar als eine Erneuerung der Theologie aus dem Geiste der Frömmigkeit. Und was Luther so weit über seine Zeitgenossen hinaushebt, das könnte nun beschrieben werden als eine wiederum aus der Ursprünglichkeit eines in der Tiefe bewegten Herzens neu geborene Einheit von Theologie und Frömmigkeit.“

60  Vgl. Luther an Johannes von Staupitz, 3.3.1518: „Primum valde credo nomen meum apud multos foetere, ita enim boni homines mihi iam diu imponunt, quasi damnaverim rosaria, coronas, psalteriola, alias denique orationes, immo omnia bona opera. […] Ego sane secutus theologiam Tauleri […], doceo, ne homines in aliud quicquam confidant quam in solum Ihesum Christum, non in orationes et merita vel opera sua. Quia non currentibus nobis, sed miserente Deo salvi erimus.“ WA BR 1, S. 160.

61  WA 2, S. 139.

62  Vgl. Ez 11,19f.: „Vnd wil euch ein eintrechtig hertz geben/ vnd einen newen Geist jnn euch geben. Vnd wil das steinern hertz weg nemen aus ewrem leibe/ vnd ein fleischern hertz geben/ auff das sie jnn meinen sitten wandeln/ vnd meine rechte halten/ vnd darnach thun/ Vnd sie sollen mein volck sein/ so wil ich jr Gott sein“, Biblia Deudsch 1534.

63  Vgl. Kat. Nürnberg 1983, Nr. 500, dort mit Inschrift im Band: „VIRGO MATER MARIA“. Diese Inschrift kommt zwar lediglich in einer Version des Holzschnitts vor, erlaubt es aber, das Herz auch der heiligen Jungfrau Maria zuzuschreiben. Vgl. Lk 1,26–38; 2,9–11,19.

64  Brief an Staupitz vom 30.5.1518 in Luthers Resolutiones disputationes de indulgentiarum virtute. In: WA 1, S. 565: „Haesit hoc verbum tuum in me sicut sagitta potentis acuta, coepique deinceps cum scripturis poenitentiam docentibus conferre […], verba undique mihi colludebant […] ut, cum prius non fuerit ferme in scriptura tota amarius mihi verbum quam ,poenitentia‘ […], nunc nihil dulcius aut gratius mihi sonet quam ,poenitentia‘.“ Den Einfluss von Staupitz auf seine gläubige Erfahrung der Passion und Liebe Christi bestätigend setzte Luther dem hinzu: „Ita enim dulcescunt praecepta dei, quando non in libris tantum, sed in vulneribus dulcissimi Salvatoris legenda intelligimus.“ Vgl. Kat. Basel 1974, S. 59.

65  Vgl. Erhard Schoens Holzschnitt (um 1515) zu dem mit einem Ablass versehenen „gebet des hymmelischen Rosenkrantz“: ein großes Kruzifix unter der Trinität, umgeben von der Gottesmutter, von David, Moses, Propheten, Johannes dem Täufer, Aposteln, Heiligen und Engeln, umfasst von einem riesigen Rosenkranz. Einzelne Blüten sind mit einem Kreuz belegt. Darunter Rosenkranzbeter, oben Darstellungen der Arma Christi und einer Vision. Ganz unten eine Art Predella mit Engeln, die Seelen aus dem Fegefeuer retten. Vgl. Geisberg 1923–1930, Bd. 40, Nr. 14.

66  Kat. Nürnberg 1983, Nr. 309 (Monogrammist H).

67  Conermann 1987a, S. 53. Luther äußerte sich dazu nie.

68  WA TR 3, Nr. 3435: „Quadam vespera indicavit Doctor Martinus, welchs sein reim were, sed eius mysterium nulli volebat revelare; tandem hoc dixit: Vivit, scilicet Christus. Si ille non viveret, nollem me unam horam vixisse. Et literae hae V.I.V.I.T. habent mysterium occultum; quaelibet litera Germanicum habet verbum. Sed noluit sententiam revelare: Sed revelabitur in extremo die tam piis quam impiis et pertinet ad eum, qui creditur, et ad eos, qui credunt.“

69  1 Kor 15,55 – 57. Vgl. Jes 25,8. Schlossmuseum Gotha. In frühen Ausgaben der Lutherbibel weicht der Wortlaut oftmals vom Zitat des Gemäldes ab: „Der tod ist verschlungen ynn den sieg, Todt, wo ist deyn stachel? Hell, wo ist deyn sieg? […] Got aber sey danck, der vns den sieg geben hat, durch vnsern hern Jhesum Christum.“ WA DB, Bd. 7, S. 134 (Lutherbibel 1522).

70  Mentzius 1601, Bl. F2 r. Der Satz findet sich auch bei Medaillen der Lutherrose auf der Rückseite, z. B. undatiert bei Juncker 1706, S. 223. Vorderseite: Lutherrose im Lorbeerkranz, mit Umschrift „IN PATIENTIA SVAVITAS“.

71  Die Inschrift um Luthers Steinporträt unter dem linken Baldachin am Katharinenportal der Lutherhalle lautet „ETATIS SVE 57“ und „IN SILENCIO ET SPE ERIT FORTITVDO VESTRA“ (Jes 30,15). Vgl. Förster 1902, Tafel 1; Habich 1929–1934, Bd. 2.1, Nr. 1893 u. Tafel CCI, 3 (Abb.). Luther kommentierte 1528: „[…] durch stille sein vnd hoffen würdet yhr starck sein“. Stille, „Das ist, leiden, gedult vnd harren etc.“ WA DB 11, S. 1, 96.

72  Siehe z. B. Russell 1985, S. 29f.; Conermann 1987a, S. 48–51 u. 65f. Vgl. Katz 1932, Abb. S. 30f.

73  Avers: Lutherporträt, Feldinschrift: „MA. LVT. | ECS. WIT.“ (Martinvs Lvthervs | Ecclesiastes Wittenbergensis) „LV. ZI.“ (Lk 21), Umschrift „OS. ET. SAPIECIA. DABO. VOBIS. CVI. NO. POTERT. COTDICERE. ZC.“ (os et sapienciam dabo vobis cvi non poterunt contradicere &c.; Lk 21,15: [enim] dabo vobis os et sapientiam, [cui] non poterunt [resistere et] contradicere &c.). Revers: Lutherrose (Herz tiefgeprägt), umschrieben: „IN. SILENCIO. ET. SPE. ERIT. FORTITVDO. VESTRA. ESA. 30.“ Mit der Jahresangabe über der erhabenen Rose „1533“. Vgl. Katz 1932, Nr. 65, Tafel XI, 9. Beide Seiten auch bei Schnell 1983, S. 117, Nr. 9. Vgl. Variante ohne Jahr in Habich 1929–1934, Bd. 2.1, Nr. 1895 und Tafel CCI, 4 (Abb.) sowie in Katz 1932, Nr. 66, Tafel XI, 8 (Revers Herz tiefgeprägt). Vgl. Dethlefs 2014, S. 52f. (Abb.); die Bibelverse fehlen beidseitig in Juncker 1706, S. 117f. (Abb.). Vgl. Pick 1917, Nr. 3878, S. 21, 23, Abb. 7a–b.

74  Avers: Luther hält ein Buch (Bibel, vgl. viele Luther-Denkmäler), Umschrift: „DOCTOR. MARTINVS. LVTHERVS. PROPHETA. GERMANIAE. MDXXXVII.“ Revers: Lutherrose auf Schild, zwei Putti als Schildhalter (Kreuz aus dem Herzeinschnitt wachsend, Umschrift: „IN. SILENTIO. ET. SPE. ERIT. FORTITVDO. VESTRA. MDXXXVII.“ Vgl. Katz 1932, Nr. 277, Tafel XLII, 6; Ficker 1920, Nr. 161. Vgl. Juncker 1706, S. 132.

Weitere Varianten siehe Conermann 1987, Anm. 89.

Eine Gedenkmedaille mit Luthers Sterbejahr zeigt auf der Vorderseite Luthers Halbfigur mit seiner Drohung, Umschrift: „DOCTOR * MARTINVS * LVTHERVS * PROPHETA * GERMANIAE * PESTIS * ERAM * VIVVS * MORTENS. | ERO * MORS * TVA * * PAPA * M * D * XLVII“; Rückseite: Luthers Symbolus (jedoch doppelte Rose), Umschrift: „ANNO * SALVTIS * NOSTRE * MDXLVI: DIE * XVIII * MENSIS * FEBRVAY * OBYT * SANCTVS * D | OCTOR * MARTINVS * LVTHERVS * AN[N]O * AETATIS * SVE * LXIII * IN * MEMORIA * ETERNA“; Habich 1929–1934, Bd. 2.1, Nr. 1954 und Tafel CCV, 2; Varianten: Juncker 1706, S. 212, S. 552; Habich 1929–1934, Bd. 2.1, Nr. 1955 und Tafel CCV, 2; Ficker 1920, S. 432. Das Zitat der Pestdrohung steht auch unter einer Art Kontrafaktur von Albrecht Dürers heiligem Hieronymus im Gehäus, auf der Wolfgang Stuber den Heiligen durch Luther ersetzte (Lutherhalle Wittenberg: Inv.-Nr. 4° IV 469).

75  Vgl. Luther an Christopher Langemantel (11.11.1518): „Rosa ilia aurea, a papa (ut rumor fuit) Principi missa […]. Video Romanos fïrmasse propositum damnandi mei.“ WA BR 1, S. 256. Vgl. ebd., S. 210; WA BR 12, S. 20; WA TR 3, Nr. 3287c, 3412. Vgl. Borth 1970, S. 57–65. Wahrscheinlich seit dem 11. Jahrhundert pflegten Päpste, die am Sonntag Laetare geweihte goldene, auch duftende und mit Edelsteinen geschmückte Rose Monarchen, anderen hohen Würdenträgern, Städten und Klöstern zu schenken. Vgl. Ludovici 1937.

76  Nach Juncker 1706, S. 284f. hatte dieser silberbeschlagene „Tischkrug“ des „Lutheri Wappen“ auf dem Deckel. Nach Katharina Luthers Tod (20.12.1552) erbte ihn der Torgauer Superintendent Tuncelius, und noch Anfang des 18. Jahrhunderts befand er sich im Besitz des kursächsischen Hofpredigers Johann Andreas Gleich (1666–1734).

77  Zwei medaillonförmige Porträtreliefs von Katharina (datiert auf um 1540) und Luther in Halbfigur (mit Buch, Inschrift „D: MARTIN LUTHER. NAT. 1483 DENAT 1546“; neben dem Kopf rechts bzw. links zwei Schilde mit kursächsischen und herzoglich-sächsischen Wappen und mit der Lutherrose ohne Feld und Ring).

78  Torgau, Marienkirche. Rechts neben dem Kopf der Ganzfigur Löwenschild (Bora), links der Rosensymbolus.

79  Luthers bronzene Grabplatte, von Heinrich Ciegelerd im Auftrag des Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen im Jahr 1548 gegossen, befindet sich lediglich als Kopie in der Schlosskirche von Wittenberg. Die Lutherrose mit ihrem privaten Motto V.I.V.I.T. steht auf einem Schild rechts von Luthers Kopf. Die (heute bemalte) Holzpatrize der ursprünglichen Grabplatte ist in der Erfurter Andreaskirche erhalten. Siehe Kat. Halle 2008, F 3. Johann Friedrichs Sohn Herzog Johann Wilhelm von Sachsen-Eisenach ließ wohl wegen des Verlusts der Kurwürde durch die Ernestiner das Original 1571 statt in das albertinisch gewordene Wittenberg in die Michaeliskirche in Jena bringen, Abb. Kat. Halle 2008, F 4. Die Lutherrose ist bemalt.

80  Kat. Nürnberg 1983, Kat. Nr. F 14. Wohl italienisches Glas mit Luthers lateinischer und deutscher Widmung (verblasst) und mit dem Bildnis von Jonas und dem verblassten Luther-Porträt. Das spätere Etui mit einer Lutherrose (Blüte gedoppelt, Initialen „D. M. L.“) und Jonas’ Wal-Imprese unter dem Epigramm des Nürnbergers Eobanus Hessus. Hatte der Dichter schon 1530 durch Jonas vom Ringgeschenk des Kurfürsten an Luther gehört? Siehe Anm. 34. Das Epigramm (vgl. Juncker 1706, S. 136) in den von Joachim Camerarius herausgegebenen Briefen von Eobanus Hessus (Hessus 1561, S. 32), zusammen mit 16 anderen Epigrammen auf Devisen oder Wappen von Camerarius, Euricius Cordus, Crotus Rubeanus, Johannes Draconites, Peter Eberbach, Helius Eobanus, Erasmus, Hutten, Jonas, Melanchthon, Petrus Mosellanus, Conrad Mutianus Rufus, Wilhelm Nesen, Georg Petz gen. Forchheim (das Monogramm GP identifiziert ihn; nicht gemeint ist Georg Helt von Forchheim, wie Camerarius und Juncker glaubten), Reuchlin, Urbanus Rhegius, Georg Spalatin. Vgl. die Malerei der Erfurter Matrikel (siehe Anm. 28).

81  Kleineidam 1964–1969, Tl. 2, S. 258–263.

82  Eobanus, der selbst von Bauern abstammte, verglich in seinen Epigrammen auf Ulrich von Hutten, Wilhelm Nesen und Conrad Mutianus Rufus den ererbten Adel mit dem Adel der Virtus.

83  Vgl. z. B. Eobans Epigramm auf Georg Petz gen. Forchheim, das als Geburtsort des Pilatus galt: „PILATVS. | Istane Pilati, qua signas, Paete, figura est? | quem patriae affingit garrula fama tuae.“

84  Ein anonymer satirischer Holzschnitt CAPVT LVTERANORVM PRAEDICABILIVM wiederholt Luthers Rose in den vier Ecken. Schreckenbach/Neubert 1921, S. 100, Abb. Vgl. auch den Hinweis auf Jakob Gretsers Invektive gegen Luther in: Juncker 1706, S. 229f.

85  Zu den Reformationsbrötchen siehe den entsprechenden Wikipedia-Artikel (mit Rezept). Außerdem hat die Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt 2016 folgenden Aufruf im Internet veröffentlich: „Gemeinsam mit Lutherfans auf der ganzen Welt hat die Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt eine besondere Aktion gestartet: Die Stiftung hat bei Facebook und Twitter zu einer weltweiten Sammelaktion aufgerufen. Bis 2017 soll es gelingen, 2017 Lutherrosen aus der ganzen Welt in digitaler Form zusammenzutragen. Die Sammlung möchte dabei beides sein: einerseits eine gemeinsame Vorbereitung auf das große Reformationsjubiläum im Jahr 2017, zum anderen aber entsteht mit jeder Lutherrose in der Sammlung eine ,symbolische Weltkarte‘, die 2017 zeigen kann, wie weit und nachhaltig die Ideen Luthers die Welt verändert haben.“ http://www.martinluther.de/index.php?view=article&id=1130:2017-lutherrosen-fuer-2017&lang=de [12.7.2016].

86  Gutjahr 2008, S. 100.

87  Rose statt Wappen, siehe Ficker 1920; Haebler 1928–1929; Zimmermann 1927. Ficker 1920 erwähnt fünf Einbände mit Lutherporträts (Nr. 311, 315, 317–319), auch Kupferstiche (Nr. 345, 347), postume Holzschnitte (Nr. 311, 313, 315, 317–319), Reliefs (Nr. 262–263, 366) und Metallfolien (Nr. 377–381).

88  Vgl. Löwith 1978, S. 28–43 („Rose und Kreuz“; über die Lutherrose auf einer Hegelmedaille von 1830 im Zusammenhang mit Goethes Rosenkreuzer-Gedicht „Die Geheimnisse“).

 

Zitierempfehlung: Klaus Conermann: Die Lutherrose. Luthers Merkzeichen im Kontext der Reformationskunst und ‑theologie. Zur Entstehung des Lutherkults. In: Luthermania – Ansichten einer Kultfigur. Virtuelle Ausstellung der Herzog August Bibliothek im Rahmen des Forschungsverbundes Marbach Weimar Wolfenbüttel 2017. Format: text/html. Online: http://www.luthermania.de/exhibits/show/klaus-conermann-die-lutherrose [Stand: Zugriffsdatum].