Delineatio malae arboris Lutheranae

Luther im Zentrum der Un-Heilsgeschichte

Der anonyme Holzschnitt bildet die obere Hälfte eines Flugblatts, darunter ein erklärender Text in Versen. Es steht im Kontext einer interkonfessionellen Polemik. Dies zeigt die Rede vom „Ketzerbaum“, der im Titel als vermeintlicher „Christenbaum“ bezeichnet wird und damit auf ein gleichnamiges Streitgedicht des lutherischen Pfarrers Alexander Utzinger (nachgewiesen 1573–1591) verweist. Steht bei diesem der Baum für das in Franken gefährdete Luthertum, so wendet der katholische Geistliche Abraham Nagel (nachgewiesen 1572–1591) dieses Bild hier ins Negative: Luther rückt so ins Zentrum einer Un-Heilsgeschichte.
Am Fuße des Baumes erkennt man den Teufel und in der Mitte des gesamten Stichs den monströsen siebenköpfigen Luther, der den eigentlichen Stamm ausmacht und seine Ehefrau, die (ehemalige) Nonne Katharina von Bora im Arm hält.
Seit den hochmittelalterlichen Wurzel Jesse-Darstellungen lässt sich die Wachstumsrichtung eines Baumes von der Wurzel in die Krone als Zeitverlauf abbilden. Dies gilt auch für den Ketzerbaum, der vom ersten A für den Teufel bis zum Z für die Leugner der Hölle („Höllstürmer“) reicht und damit eine Un-Heilsgeschichte des Ketzertums ins Bild setzt.